Die Schauspielerin Mischket Liebermann kontaktierte, Anfang der 70er Jahre meinen Vater, als sie für Ihre Lebenserinnerungen recherchierte. In Ihrem Buch „Aus dem Ghetto in die Welt“ schreibt sie aus ihrer Zeit als Politinstrukteur in den Kriegsgefangenenlagern Wladimir und Susdal (Zeitraum nicht genau benannt, aber wahrscheinlich Herbst 1946) folgendes:
[Mischket Liebermann; Aus dem Ghetto in die Welt; Verlag der Nation 1977; 3. Auflage 1995; ISBN 3-373-00495-0; S 267 ff]
Erst spät kommt Alexandra Belikowa heim. Ich habe schon etwas ausgeruht. Ihre Gedanken sind noch immer im Lazarett.
„Was ist mit dem Kriegsgefangenen, den ich vor einer Woche zu Ihnen schickte?“ fragt sie mich. „Bei mir hat sich keiner gemeldet.“
„Nanu! Er hat Malaria und kann nicht draußen arbeiten. Im Lazarett schreibt er ununterbrochen Gedichte, Theaterstücke. Und Majakowski hat er rezitiert. Auf russisch. Ich dachte, so einen könnten Sie im Aktiv gut gebrauchen.“
„Das schon. Aber ich kann ihn nicht freistellen. Vielleicht bringen wir ihn in der Innenkompanie unter?“
„Einverstanden. Eine leichte Arbeit kann er verrichten. Er heißt Josef … Ich behalte die deutschen Namen nicht.“
[S. 268]
Montag früh gehen Dr. Belikowa und ich zusammen ins Lager. Wir suchen den Josef. „Josefs gibt´s bei uns in rauhen Mengen“, sagt Kommandant T. „Skoro budet, Frau Doktor.“ Frau Doktor geht beruhigt ins Lazarett, der Kommandant durch die Baustellen! Und bringt mir den Josef bald an.