Mein Großvater – Anton Köhler

In mehreren Artikeln habe ich bereits über meinen Großvater Anton Köhler geschrieben. Nachdem ich im Archiv der Handwerkskammer Leipzig seine Unterlagen einsehen konnte, will ich noch einmal auf ihn eingehen. In seinem Lebenslauf von 1956, den er für die Gewerbegenehmigung benötigte, schildert er seinen beruflichen Werdegang. Auffallend ist, dass er mit meiner Großmutter am 23.10.1950 in die Wohnung in der Balzacstrasse einzog (Hausbuch von 1954), aber trotzdem in den 50er Jahren nochmals eine Arbeit in Thüringen annahm.
Hier sein Lebenslauf:

Leipzig, den 26.5.1956

L e b e n s l a u f

Ich bin am 23.1.1885 in Fleyh, Krs. Dux / CSR geboren. Nach Besuch der Volksschule in Fleyh von 1891 – 1899 erlernte ich bei Rudolf Reichenberger in Dux das Bau- und Möbeltischlerhandwerk. Von Oktober 1899 bis Oktober 1902 war ich bei der Firma Reichenberger als Lehrling, von 1902 bis 1910 als Gehilfe beschäftigt. Von 1910 bis 1915 arbeitete ich als Gehilfe im Tischlereibetrieb meines Vaters in Fleyh, Krs. Dux. Von 1915 bis 1918 diente ich beim Österreichisch ungarischen Militär. Im Jahr 1919 eröffnete ich meine selbständige Tischlerwerkstatt in Fleyh, die ich bis 1946 betrieben habe. 1946 wurde ich mit meiner Ehefrau aus der Tschechoslovakei nach Thüringen umgesiedelt. Hier arbeitete ich von 1946 bis 1950 bei der Firma Herrmann Kayser, vormals Georg Gotthard, in Völkershausen über Vacha / Rhön als Tischler. Vom Dezember 1950 bis Februar 1951 arbeitete ich hier in Leipzig bei der Fa. Augustin (Glaserei), Leipzig O-5, Erich-Ferl-Straße 30. Von Februar 1951 bis zu Ende der Frühjahrsmesse arbeitete ich als Messeaushilfe bei der Fa. Pabst und Böttcher, Leipzig C-1, Hohe Straße 27. Anschließend arbeitete ich, da es zu dieser Zeit hier in Leipzig keine Möglichkeiten gab, bei der Fa. Georg Walter, Bau- und Möbeltischlerei, in Völkershausen / Rhön als Tischler bis Dezember 1951.
Zur Zeit arbeite ich bei der Firma Carl Walther, Leipzig C-1, Wiesenstraße 24, die ich vom derzeitigen Inhaber wegen Alters übernehmen will. Ich war niemals Mitglied irgendeiner Partei. Auch habe ich nicht in der faschistischen Wehrmacht gedient.

Anton Köhler

Wenn man also einmal nachrechnet, so hat er sich im Alter von 71 Jahren noch einmal selbständig gemacht, 10 Jahre nach der Aussiedelung aus seiner Heimat. Am 31.12.1970, kurz vor seinem 86. Geburtstag löste er die Werkstatt auf und ging in den Ruhestand.

Mein Großvater Anton Köhler starb am 28. April 1975.

Fleyh – Die Volksschule

Bei meinen Recherchen im Internet fand ich einen Eintrag zur Volksschule in Fleyh mit den Namen der Lehrer im Jahre 1940. Herr Rudolf Schneider war so freundlich und schrieb mir seine Erinnerungen an diese Schule auf, die ich hier ungekürzt veröffentliche.
Die Schule:
Die Schule war in zwei Klassen aufgeteilt. Das erste bis dritte Schuljahr wurde in der ersten Klasse unterrichtet, das vierte bis achte Schuljahr in der zweiten Klasse. Da der Lehrstoff dem Alter der Schüler angepasst werden musste, war der Lehrer gezwungen, die
Unterrichtsstunde mindestens auf zwei Gruppen aufzuteilen. Die eine Gruppe bekam eine schriftliche Aufgabe, während die andere Gruppe vom Lehrer mündlich unterrichtet wurde. Das war sowohl für Lehrer als auch für Schüler keine einfache Aufgabe. Wenn man also in der Gruppe mit der schriftlichen Aufgabe war, musste man,  um nicht abgelenkt zu werden,  die Ohren vor den mündlichen Ausführungen des Lehrers schließen.
Wer nach Abschluss des vierten Schuljahres ein gutes Zeugnis hatte, konnte aufs Gymnasium gehen, vorausgesetzt, dass die Eltern bereit waren, die Kosten dafür aufzubringen und sie außerdem schon so fortschrittlich dachten, dass eine gute Schulausbildung ein guter Start für eine Zukunft wäre, die besser ist als die, in der man lebte. Diese Einsicht hatten nur wenige
Eltern, sie waren an das bisherige Leben gewöhnt und waren für Veränderungen nur sehr schwer zugänglich. Auch meine Mutter hat mir seinerzeit den Zugang zum Gymnasium verwehrt, so dass ich erst nach dem Krieg die Möglichkeit hatte, mich selbst weiter zu bilden.
Der Unterrichtsstoff war also so aufgebaut, dass man nach dem vierten Schuljahr bei entsprechend guten Leistungen die Reife für das Gymnasium erreichen konnte. Ab dem fünften Schuljahr wurde bei uns aber keine Fremdsprache, keine höhere Mathematik, keine Physik, keine Biologie und keine Literaturkunde gelehrt. Auch die Geschichte kam viel zu kurz.
Die Lehrer:
Barbara Kühnel war meine Klassenlehrerin. Sie betreute das 1. bis 3. Schuljahr. Als wir  Oktober 1938 auf der Schmiedbrücke standen und die deutschen Soldaten an uns vorüber-rollten, hatte sie mich an der Hand. Ich habe heute noch ihre Worte im Ohr, als sie sagte: „das kann nicht gut gehen“. Wahrscheinlich hat sie aus ihrer Einstellung keinen Hehl gemacht, denn sie hat kurze Zeit später Fleyh verlassen. Ob sie aus dem Schuldienst entfernt oder nur versetzt wurde, entzieht sich meiner Kenntnis.
Den Lehrer Gustav Seifert kenne ich nicht. Da müsste ich einmal meine Brüder fragen. Wahrscheinlich war das der Lehrer, der die zweite Klasse (4. bis 8. Schuljahr) betreute.
Mir ist nur ein Lehrer Alfred Gaudnek bekannt, der die zweite Klasse betreute und den ich Gott sei Dank nicht mehr kennen lernte, denn er wird von ehemaligen Schülern als „Schläger“ bezeichnet. Pädagogik wurde damals offenbar so verstanden, dass man Wissen nicht allein durch Lehre, sondern auch durch Prügel weitergeben konnte. Gaudnek wurde also im September 1939 ebenfalls versetzt, wohin, weiß ich nicht. Er ist übrigens auf allen Klassenbildern zu sehen, die Sie mir geschickt haben und hat großen Wert darauf gelegt, als „Oberlehrer“ angesprochen zu werden.
Die Handarbeitslehrerin Maria Pohl stammt aus Fleyh und wohnte mit ihrem Bruder Wenzel im Hause Nr. 37. Sie wurde von den Mädchen sehr verehrt, hat nach der Ausweisung einige Gedichte über die  Heimat geschrieben und ist in den 70iger Jahren gestorben.

Zu diesem Bild schrieb Rudolf Schneider:
Ich habe nachträglich festgestellt, daß mein Bruder Karl erst im September 1934 nach Mariaschein gegangen ist. Deshalb dürfte dieses Bild vom September 1933 stammen (belaubter Baum deutet auf Herbst hin). Auf diesem Bild erkenne ich:
oberste Reihe
3. v.l.: Erwin Höbelt ; Haus Nr. 28; wahrsch. Jahrgang 1922
4. v.l.:  Josef Köhler; Haus Nr. 85; Philomenpep; Jahrgang 1923
7. v.l.: Martha Köhler; Haus Nr. 117; Köhlerton-Martl; Jahrgang 1921
8. v.l.: Anna Seifert; Haus Nr. 78; Tischler-Anne; Jahrgang 1921
10. v.l.: Elisbeth Löster; Haus Nr.84; Woner-Liesl; Jahrgang 1920
(die Woner-Liesl ist schon früh von Fleyh weggezogen)
vierte Reihe von unten
5. v.r.: Gertrud Eisenhammer; Haus Nr. 107; Jahrgang 1921
dritte Reihe von unten
7. v.l.: Gertrud Tränkner; Haus Nr. 69; Lohmüller-Gertrud; Jahrgang 1924
2. v.r.: Anna Zeidler; Haus Nr. 52; Schenkerfranzen-Anne; Jahrgang 1924 oder 23
zweite Reihe von unten
1. v.l.: meinen Bruder Karl ; Haus Nr. 89; Jugelkorl-Karli;  Jahrgang 1922
3. v.l.: Hubert Schindler; Haus Nr. 64, Schindlerwenzen-Hubert; Jg. 1924
4. v.r.: Wenzel Schindler; Haus Nr. 64, Schindlerwenzen-Wenz; Jg. 1921
3. v.r.: Hermann Mayer; Haus Nr. 17; Jahrgang 1921 oder 22
* Die kursiv geschriebenen Namen sind die Spitznamen der Betreffenden.
Der in der oberen Reihe stehende Lehrer ist also dem zufolge Alfred Gaudnek.

Fleyh – Heimat meines Vaters

Wie schon im Artikel Kindheit und Jugend beschrieben, stammt die Familie meines Vaters aus Fleyh im Erzgebirge.  Mit dem Kriegsende 1945 wurde das Gebiet, auf dem Fleyh liegt, wieder tschechisch und gehörte somit zur damaligen CSSR. 1945-1946 wurden die deutschen Einwohner des Gebietes ausgesiedelt oder vertrieben und meine Großeltern kamen nach Völkershausen in Thüringen.
Im Zuge meiner Arbeit, die sich auf den Lebenslauf meines Vaters konzentriert, beschäftige ich mich natürlich auch mit der Familiengeschichte vor 1945. Dazu gehört auch die Geschichte der Ortschaft Fleyh.

Herr Rudolf Schneider, der bereits in den Danksagungen erwähnt wurde, hat dazu im Selbstverlag ein Buch herausgegeben: „Fleyh – die Chronographie eines Ortes“. Auf dieses Buch möchte ich Interessierte gern hinweisen. Ich danke Herrn Schneider, dass er mir gestattet, in späteren Artikeln aus diesem Buch zu zitieren.
Das Buch gliedert sich in vier Teile, jeweils mit großem Bildteil:
Teil 1: Der Ort Fleyh in der Zeit von ca. 1920 bis zum 8. Mai 1945
Teil 2: Der Ort Fleyh nach dem 8. Mai 1945 bis zu seiner endgültigen Zerstörung
Teil 3: Das Stift Osseg, Die Riesenburg, Zur Geschichte des Ortes und der Kirche von Fleyh von 1346 bis 1966
Teil 4: Fleyher Wörterbuch, Fleyher Redensarten, Aus der Fleyher Küche, Anekdoten aus Fleyh
Der Vertrieb des Buches erfolgt durch den Heimatkreis xxx e.V., Herrn Klaus P., Kontakt per email: klausp@xxx.xx oder telefonisch 09371/xxxx. Neue Informationen zum Vertrieb des Buches werden in Kürze gepostet. Leipzig, 09. Mai 2012

Sommerfrische Fleyh
Sommerfrische Fleyh