Für diese Jahre sind nur wenige schriftliche Unterlagen vorhanden. Aus dem Reisepass meines Vaters kann ich ersehen, dass er mehrmals nach Moskau und Prag reiste, und es gibt Unterlagen über mindestens zwei Dienstreisen nach Budapest im Jahre 1964.
Bei einer dieser Tagungen in Budapest, an der er als Dolmetscher für das Institut für Wasserwirtschaft teilnahm, lernte er einen ungarischen Mitarbeiter des dortigen Institutes, Herrn Istvan (Pistor) Pap, kennen. Dieser Mann, Pistor baci (Onkel) genannt, spielte in den nächsten Jahren für uns eine große Rolle, da er uns in Leipzig besuchte und meine Eltern auch nach Budapest einlud. Meine Mutter war natürlich begeistert und bei dem Besuch ergab sich eine Einladung zu einem Ferienaufenthalt am Balaton. Dort in Balatonszepezd stand ein Ferienheim des ungarischen Institutes für Wasserwirtschaft und Pistor mietete für uns ein Privatquartier.
Also fuhren wir im Juli 1965 nach Ungarn. Nach einer Reise im Schlafwagen 1. Klasse und einem Aufenthalt in Budapest verbrachten wir vier Wochen am Balaton — was für ein Erlebnis! Nicht nur wir Kinder, auch unsere Eltern hatten ja noch nie richtig Urlaub gemacht, abgesehen von kurzen Besuchen bei Verwandten spielte sich unser Leben in Leipzig ab.
Balatonszepezd war damals ein Dorf. Das Haus, in dem wir wohnten, hatte kein fließendes Wasser. Das musste von der Pumpe geholt werden. Auf dem Hof gab es ein „Plumsklo“.
Frau Biber, unsere Quartierwirtin, war eine sehr nette Frau, die zwar kein Wort Deutsch sprach, aber dafür Wünsche von den Augen ablesen konnte. Ihre Söhne Sandor und Laszlo waren über zwanzig Jahre alt, also suchten mein Bruder und ich uns Spielkameraden am Strand.
Wir waren die ersten DDR Bürger in diesem Ort, ausländische Urlauber kamen bis dahin nur aus Österreich. Trotz des einfachen Quartiers waren diese Urlaube (von 1965 – 1968) für unsere Familie wunderbar.
Auf diese Urlaube werde ich in den folgenden Beiträgen nicht weiter eingehen, hier habe ich dieses Thema aus zwei Gründen etwas ausführlicher behandelt:
Zum Ersten beschloss unser Vater in diesen Jahren, dass er mit der Arbeit etwas kürzer treten wollte. Er würde also weiterhin an sieben Tagen in der Woche arbeiten, aber einmal im Jahr wird ein richtiger Urlaub gemacht, das bedeutete zwischen sechs und acht Wochen. Diesen Vorsatz hat er auch in die Tat umgesetzt.
Der zweite Grund ist familiärer Natur. In einen der Urlaube begleitete uns die Schwester meiner Mutter, Barbara Pratsch. Sie lernte dort den jüngeren Sohn der Frau Biber, Laszlo, kennen und heiratete ihn später. Er zog mit ihr nach Wolfen und arbeitete bei ORWO , wo er die ungarischen Arbeiter betreute. Somit waren wir also unserem Urlaubsort auch familiär verbunden.