Zeitzeugen VII

Wie bereits versprochen hier die ersten Erkenntnisse, die sich aus der Auswertung der Unterlagen des RGWA über die Haft von  Josef A. Köhler ergeben.
Ich möchte an dieser Stelle besonders den Mitarbeitern des Suchdienstes des DRK in München und Herrn Peter Steger danken. Ohne diese wäre es für mich nicht möglich gewesen an diese Unterlagen zu gelangen bzw. diese auszuwerten.
Wie bereits beschrieben, wurde Josef A. Köhler am 07.06.1951 verhaftet. Er wurde vom MfS der DDR an die sowjetischen Sicherheitsorgane übergeben und im Untersuchungsgefängnis Berlin-Hohenschönhausen inhaftiert. Über den Aufenthalt in diesem Gefängnis liegen keine Dokumente vor.
Am 10.07.1951 stellte der stellvertretende Leiter der Abteilung „OS“ (Osoboje sowestschanie – Sonderberatung) der Verwaltung des Bevollmächtigten des Ministeriums für Staatssicherheit der UdSSR in Deutschland, Oberstleutnant Pachomow eine „Verfügung über die Festlegung des Maßes des Freiheitsentzuges“ aus.
In dieser hieß es:

Josef Keller (Köhler) ist überführt, Verbrechen lt. Paragraph 58-14 des Strafrechts der Russischen Sozialistischen Sowjetrepublik begangen zu haben, weshalb ich unter Berücksichtigung des Umstands, daß Keller sich auf freiem Fuß befand und sich der Untersuchung und dem Gericht entziehen kann sowie auf Grundlage der Paragraphen 145 und 158 des Strafrechts der Russischen Sozialistischen Sowjetrepublik folgendes verfügt habe:
Als Maßnahme zur Verhinderung des Untertauchens und der Verhinderung von Untersuchung und Gerichtsverfahren hat Josef Keller unter Arrest zu stehen, wovon der Verhaftete mit Unterschrift dieser Verfügung entsprechend Paragraph 146 des Strafrechts der Russischen Sozialistischen Sowjetrepublik in Kenntnis zu setzen ist.

Josef A. Köhler wurde also in das Untersuchungsgefängnis Berlin-Karlshorst verbracht. Dort fanden im Zeitraum vom 22. Juli 1951 bis 31.01.1952 insgesamt 53 Verhöre, die durch Dokumente nachweisbar sind,  mit einer Gesamtdauer von 173 Stunden statt. Ein großer Teil der Verhöre wurde in den Nächten durchgeführt.
Ca. 1987 schrieb Josef Köhler den folgenden Text, eines von mehreren Fragmenten seiner Lebenserinnerungen die er nie beenden sollte.

 Es waren aber die gleichen Methoden, die auch die Häscher des KGB am 7. Juni 1953 anwandten, als sie mich in den Abendstunden in Berlin an der Ecke Tieckstraße – Chausseestrasse niederschlugen, halb bewußtlos in einen Opel Kapitän zerrten, fesselten und dann im Untersuchungsgefängnis in Hohenschönhausen in die Zelle Nr. 13 sperrten. Einundvierzig Tage Einzelhaft, bei sich tagtäglich wiederholenden Nachtverhören ohne Gewalteinwirkung, mit der ständig wiederkehrenden stereotypen Frage nach meinen Auftraggebern und meinen Verbrechen, die ich gegen die Sowjetvölker begangen hätte, folgten bange Monate in einem Untersuchungsgefängnis in Karlshorst, von wo ich über das Etappengefängnis in der Magdalenenstraße in Lichtenberg zusammen mit anderen Verurteilten nach Moskau und weiter an den Polarkreis in das Arbeitsbesserungslager Wessljana deportiert wurde.

Ein weiterer Auszug beschäftigt sich mit seinen Gefühlen in der Haft.

Es war der 7. Juni 1951, als ich abends gegen 24.00 Uhr in der Zelle Nr. 13 des Untersuchungsgefängnisses in Hohenschönhausen landete. Mehrere unfreundliche Herren hatten mich in der Chausseestraße überwältigt, in einen alten Opel gezerrt und in dem Gebäude, das Stefan Heim, Walter Janka u.a. näher beschreiben, stereotyp aufgefordert, zusagen, wer meine Auftraggeber seien und welche Verbrechen ich gegen die Sowjetunion begangen und geplant habe.Nun stand ich in der Zelle. Nr. 13 – eine Unglückszahl. Vier Schritte vor und zurück. Zwei Schritte zur Seite. Vierundzwanzig Stunden lang, Tag für Tag. Von 22.00 bis 06.00 Uhr Nachtruhe – bei gleißendem Licht. Empfunden habe ich alles, was auch die anderen beschreiben. Monatelang. Allein. Einzelhaft.

Zwischenbemerkung

Eigentlich sollte hier der nächste Teil der Zeitzeugensuche, für die Jahre 1951 – 1953, stehen. Aber an diesem muss ich auf Grund neuen Quellenmaterials noch arbeiten.
Inzwischen habe ich vom RGWA (Russisches Staatliches Militärhistorisches Archiv – Российский государственный военно-исторический архив) eine neue Archivauskunft von insgesamt 94 Seiten erhalten. Enthalten sind unter anderem auch Fotos.
Diese Dokumente beinhalten interessantes Material zum o.g. Zeitraum. Da die Dokumente in Russisch sind, müssen sie natürlich erst übersetzt und ausgewertet werden.
Ich bitte also noch um etwas Geduld.

Wieder mal eine „Zwischenbemerkung“

Vielleicht hat es der Eine oder der Andere bemerkt, es geht einfach nicht weiter. Der letzte Beitrag der den chronologischen Ablauf betrifft liegt schon länger zurück und ich komme immer wieder auf die Zeit zwischen 1941 und 1960 zurück.
Die Erklärung ist ganz banal.
Dieser Zeitraum ist so spannend, die Recherchen zu dieser Zeit so umfangreich und es gibt unheimlich viele Lücken und Querverbindungen, die noch gefüllt und aufgedeckt werden müssen.
Warum  das so wichtig ist? Nur aus den Geschehnissen dieser Zeit ist der weitere Verlauf des Lebens von Josef Köhler zu verstehen. Schließlich wurde auch mein Leben und meine Biographie durch die Geschichte meines Vaters, zumindest was meine Kindheit und Jugend betrifft, beeinflusst.
Also werde ich hier erst einmal auf Zeitzeugensuche gehen. Ich werde einzelne Geschehnisse aus diesem Zeitraum, nach dem aktuellen Forschungsstand, erneut schildern. Auch Bilder, Namen, Dokumente und Briefe werde ich hier präsentieren und um Mithilfe bitten.
An dieser Stelle nochmals meinen Dank an die Veranstalter des Treffens der „Lagergemeinschaft Workuta“, erste Reaktionen auf den Flyer habe ich bereits erhalten. Diese waren zwar noch nicht sehr ergiebig, zeigen aber das Interesse der Mitglieder und ihrer Angehörigen an meinem Thema.
Ich weise hier nochmals darauf hin, dass ich nicht alle Erkenntnisse hier präsentieren werde, da es ja in meiner Absicht liegt ein Buch darüber zu schreiben.
Ein schönes Pfingstfest wünscht
Thomas Köhler