Verschollen

Ein kleiner Rückblick, nach Inkrafttreten der Benes-Dekrete wurden Anton und Philomena Köhler, wie tausende andere Deutsche auf dem Gebiet der Tschechoslowakei, enteignet und nach Deutschland deportiert. Sie kamen zuerst in Völkershausen unter, dort wurde auch der Kontakt mit ihrem Sohn, über das rote Kreuz, hergestellt.
Als Josef Köhler aus der Kriegsgefangenschaft kam, ging er nach Leipzig und holte einige Zeit später auch seine Eltern dort hin.
Am 4. Juni 1953 fuhr Josef nach Berlin und kam nicht wieder. Seine Eltern vermuteten richtig, dass er verhaftet worden war und bemühten sich um Informationen über seinen Verbleib. Als Alles Andere keine Ergebnisse brachte, schrieb Anton an den Präsidenten der DDR, Wilhelm Pieck. Der Brief ist nicht erhalten, aber die Antwort vom 26. März 1952 in der die Präsidialkanzlei mitteilt, dass der Vorgang an den Minister für Staatssicherheit, Willy Zaisser, weitergeleitet wurde, liegt mir vor.
Am 20.11.1952 schrieb Anton an den Minister für Staatssicherheit, er erhielt keine Antwort.
Auf ein weiteres Schreiben von Philomena an den Präsidenten, kam abermals die Antwort, dass das Ministerium für Staatssicherheit mit der Überprüfung beauftragt wurde.
Am 16.9.53 schrieb Philomena an Otto Nuschke, den stellvertretenden Ministerpräsidenten der DDR.

Unser Sohn, Joseph Köhler, geb. 18.3.1923, ist am 4.6.51 nach Berlin gereist und von dieser Reise nicht wieder zurückgekehrt.

Wir richten nunmehr an Sie, Herr Ministerpräsident, die Bitte, uns eine Nachricht zukommen zu lassen oder zu vermitteln, ob sich unser Sohn in Haft befindet, und wie es ihm ergeht. Es sind ja inzwischen die neuen Bestimmungen unserer Regierung erlassen, nach denen die Angehörigen eines jeden Inhaftierten einen diesbezgl. Bescheid erhalten sollen. In der nun schon so lange ertragenen Sorge und Ungewissheit, die uns immer stärker zermürbt, bitten wir dringend um eine solche Aufklärung.

Sie sollten auf diesen Brief nie eine Antwort und vom Ministerium für Staatssicherheit nie eine Information bekommen.
Josef blieb verschollen.

1951 – 1953 Erklärungen


Zum vorstehenden Artikel gibt es durchaus Ergänzungsbedarf, wie ich aus einigen Reaktionen erkennen musste.
Da wäre zum Ersten die Erläuterung zu den Örtlichkeiten in der Komi ASSR, einen Ort namens Wessljana bzw. Wjeljana findet man auf keiner Landkarte. Ich weiß nicht, ob es sich um alte Transkriptionen oder einfach Fehler handelt, bei diesen Namen handelt es sich um das Gebiet um den Fluss Wesljana, der ein Nebenfluss des Wym ist.
In diesem Gebiet wurde Ende der 1940er Jahre die Petschora Eisenbahn, unter Einsatz von Gulag-Häftlingen, bis Workuta verlängert.
Mehrere Lager, in denen auch  deutsche Kriegsgefangene, sowie durch Sondertribunale verurteilte deutsche Häftlinge lebten, befanden sich in diesem Gebiet.
Die genaue Bezeichnung des Lagers, in dem mein Vater inhaftiert war, ist mir nicht bekannt.
Der im Brief an A. Gromyko benannte § 58/14 des sowj. Strafgesetzbuches beinhaltet den Tatbestand Konterrevolutionäre Sabotage. Das erklärt auch die Form der Verhaftung und der Untersuchungshaft.
Das Untersuchungsgefängnis in Karlshorst, war der SMAD (Sowjetische Militäradministration in Deutschland) unterstellt.
Über die Gründe für den Aufenthalt meines Vaters in Berlin, zur Zeit der Verhaftung, liegen mir keine Angaben vor.

1951 – 1953

Im Sommer 1951 endete der erste Ausflug in das neue Leben, hierzu aus einem Fragment von 1989:

Es waren aber die gleichen Methoden, die auch die Häscher des KGB am 7. Juni 1951 anwandten, als sie mich in den Abendstunden in Berlin an der Ecke Tieckstraße – Chausseestrasse niederschlugen, halb bewußtlos in einen Opel Kapitän zerrten, fesselten und dann im Untersuchungsgefängnis in Hohenschönhausen in die Zelle Nr. 13 sperrten. Einundvierzig Tage Einzelhaft, bei sich tagtäglich wiederholenden Nachtverhören ohne Gewalteinwirkung, mit der ständig wiederkehrenden stereotypen Frage nach meinen Auftraggebern und meinen Verbrechen, die ich gegen die Sowjetvölker begangen hätte, folgten bange Monate in einem Untersuchungsgefängnis in Karlshorst, von wo ich über das Etappengefängnis in der Magdalenenstraße in Lichtenberg zusammen mit anderen Verurteilten nach Moskau und weiter an den Polarkreis in das Arbeitsbesserungslager Wessljana deportiert wurde.

Zu diesem Thema, welches ich im nächsten Beitrag noch näher ausführen werde, noch ein Auszug aus einem Brief vom 25.10.1987 an Andrej Gromyko, Vorsitzender des obersten Sowjets der UdSSR:

Da ich am 18.März 1988 mein 65. Lebensjahr vollenden und in den Rentenstand gehen werde und zur Beantragung meiner Altersrente nachweisen muß, wie viele Jahre ich gearbeitet habe, sehe ich den einzigen Weg aus dieser verfahrenen Situation darin, mich an Sie, als den obersten Repräsentanten der Sowjetunion, zu wenden, in der ich von Ende 1942 / Anfang 1943 bis September 1948 in Kriegsgefangenschaft (Stalingrad, Wladimir Lager 190/1) und vom Juni 1951 bis Dezember 1953 (Berlin-Karlshorst, Wjeljana KOMI-ASSR, Entlassung aus Kwardejsk, Kaliningradskaja Oblast) war (UK § 58/14) war.