1948 Brief eines Kameraden

Bei der Sichtung der Hinterlassenschaft meines Vaters stellte ich fest, daß es für die Zeit der Kriegsgefangenschaft außer den Postkarten aus dem Lager auch Post von bereits heimgekehrten Kameraden gibt. Einer dieser Briefe, von Kurt Pochert oder Kurt Porchert, schildert meinen Großeltern die Lebensumstände ihres Sohnes.

Dresden, am 20. Jan 1948

Sehr geehrte Familie Köhler,
heute endlich erlaubt es mir mein Gesundheitszustand Ihnen viele liebe Grüße von Ihrem Sohn Sepp Köhler aus dem russ. Kriegsgefangenenlager 7190/III zu übermitteln. Ihrem Sohn geht es sehr gut. Im Lager ist er als Btl.-führer tätig und genießt bei der russ. Lagerführung und seinen Kameraden großes Ansehen. Er ist körperlich und geistig in bester Verfassung. Durch seine geistige  Regsamkeit und durch Beherrschung der russ. Sprache in Wort und Schrift ist Ihr Sohn im Lager zu einer Persönlichkeit geworden. Körperlich braucht er nicht zu arbeiten. Seine Unterkunft, Bekleidung und Verpflegung ist sehr gut. Im Lager verfasst er Theaterstücke und Vorträge, die von den Kameraden sehr gerne aufgeführt werden. Ihr Sohn hofft auch bald nach Hause zu kommen. Sein Zuvertrauen und sein unerschütterlicher Glauben an eine baldige glückliche Heimkehr stärken ihn helfen ihm seine Lebenslage zu ertragen. Bitte machen Sie sich keine Sorgen, es geht Ihrem Sohn wirklich sehr gut. Ich bitte Sie mir dieses Schreiben zu bestätigen.
Ihnen wünsche ich alles Gute und eine baldige Heimkehr Ihres Sohnes.
Herzliche Grüße u. alles Gute
Kurt Pochert

1960 – 1962 Hobby

Die Frage, ob mein Vater Hobbys hatte, musste ich immer verneinen, seine Arbeit war auch sein Hobby.

1960 fing er aber an Briefmarken zu sammeln. Er trat in den Kulturbund der DDR Fachgruppe Philatelie ein, bekam einen Sammlerausweis mit dem er die neuen Briefmarken, Sammlermarken und Ersttagsbriefe erwerben konnte. Diese stapelten sich später in Alben, Kartons und Umschlägen.
Interessanter jedoch war sein Briefwechsel, den er führte um an ausländische Marken zu kommen. Er schrieb 1960 nach dem Tschad und erreichte tatsächlich, dass ein französischer Beamter des „Office Equtaorial Postes et Telecommunications“ ihm einen Briefkontakt mit seiner Tochter vermittelte. Es kam ein reger Briefwechsel zustande. Die erhaltenen Kuverts sind teils direkt an meinen Vater adressiert, teils wurden andere Briefkuverts mit interessanten Marken oder auch Ersttagsbriefe im Umschlag mitgeschickt.

Die mir vorliegenden zugehörigen Briefe beinhalten Bestellungen von bestimmten Marken oder Beschreibungen der aufgeklebten Marken, es sind kaum persönliche Bemerkungen erhalten.
Mitte der 60er Jahre endete dieser Briefwechsel.
Briefpartner waren:
P. Olmo, Fort Lamy Republique du Tchad
Francoise Goy, Fort Lamy Republique du Tchad
Alain Lavergne, Gendarmerie Fort Lamy Republique du Tchad
Gabriel Marie Dombal, Ecole privès, Fort Lamy Republique du Tchad

1960 – 1962

Familie:

Meine Mutter Renate Köhler arbeitete bis Mitte 1962  als Kindergärtnerin und beendete dann diese Tätigkeit, womit auch die Kindergartenzeit für meinen Bruder und mich endete. Ab Mitte 1962 war sie Hausfrau, belegte im weiteren einen Lehrgang zur Erlangung der Sprachkundigenprüfung in Russisch, lernte Schreibmaschine schreiben und arbeitete mit Josef Köhler zusammen als Übersetzer.

1961/62 traten in Leipzig Ruhrerkrankungen auf, dadurch wurden erst mein Bruder im Krankenhaus Zwenkau, und dann mein Bruder und ich im Krankenhaus St. Georg Leipzig in Quarantäne genommen.

Anton Köhler führte seine Tischlerwerkstatt weiter und Philomena Köhler kümmerte sich mit unserer Mutter um uns Kinder und den Haushalt, was zu wachsenden Spannungen zwischen Renate und Philomena führte.

Mit der Einschulung meines Bruders im September 1962 an der Leibniz-Oberschule Leipzig begann für uns Kinder auch das Gemeindeleben in der St. Trinitatis Gemeinde Leipzig, da der Katholizismus im Leben unserer Familie, besonders bei unseren Großeltern, eine große Rolle spielte.

Arbeit:

Ein großer Teil der Arbeit meines Vaters Josef Köhler spielte sich auf Reisen ab die Dolmetschertätigkeit überwog und ich kann mich an viele Zeiten ohne unseren Vater erinnern. Auftraggeber in dieser Zeit waren die Vereinigung Volkseigener Betriebe (VVB) Mechanik Leipzig, das Amt für Wasserwirtschaft beim Ministerrat der DDR und andere. In seinem Reisepass sind Stempel von Moskau, Prag und Budapest. Es zeigte sich also, dass die Haftzeit von 1959 – 1960 auf seine Dolmetschertätigkeit kaum Auswirkungen hatte.

Im Jahre 1962 wurde die Vereinigung der Sprachmittler der DDR (VdS) als Sektion des Verbandes der Journalisten der DDR  (VdJ) gegründet. Josef Köhler war eines der Gründungsmitglieder.

Weiterhin unterrichtete er an der Volkshochschule (VHS) Leipzig die russische Sprache.

Die Arbeit bei der Nationalen Front (NF) der DDR endete bei der Haftentlassung, da sein Ausweis als Mitglied des Bezirksausschusses einbehalten und er nicht zu leitenden Mitarbeitern vorgelassen wurde, als er diese Angelegenheit klären wollte. Wahrscheinlich hatte auch die politische Lage in der DDR darauf einen Einfluss. War bis 1960 die gesamtdeutsche Arbeit wesentlicher Bestandteil der Arbeit der NF, so änderte sich dies im Jahre 1961, als die Teilung Deutschlands endgültig wurde. Somit hatte man keine Verwendung mehr für viele alte Mitarbeiter.

Josef Köhler bemühte sich in diesen Jahren auch weiterhin um seine endgültige Rehabilitation,betreffs seines Ausschlusses aus der SED, konnte aber nur erreichen, dass der Ausschluss in eine Streichung der Mitgliedschaft geändert wurde. Dies bedeutete, dass er de jure nie SED Mitglied war.