Neues Forschungsprojekt

Wie ich im Artikel Zwischenbemerkungen schrieb, habe ich bereits mit einem Forschungsprojekt, „Zusammenarbeit mit KGB und MfS am Einzelfallbeispiel Josef A. Köhler„, begonnen. Nun arbeite ich immer noch an den Ereignissen in den 50er Jahren und ich musste feststellen, dass der zeitgeschichtliche Aspekt meiner Arbeit immer mehr das ursprüngliche Ziel der Biographie verdrängt.
Somit habe ich ein neues Forschungsprojekt begonnen, welches aber ursächlich mit der bisherigen Arbeit zusammenhängt und für das Verständnis des Geschehens wichtig ist.
Dieses Projekt hat den Arbeitstitel „Dolmetscher und Übersetzer, sowie ihre Berufsverbände und Betriebe, als Quelle und Ziel für nachrichtendienstliche Tätigkeit„. Als Exempel wird hier die Gründung des „Übersetzerkollektivs Leipzig“, dessen Übergang zum „VEB Büro für technisch-wissenschaftliche Übersetzungen“ (TEWI), dessen spätere Übernahme durch den „VEB Globus, Zeitungsausschnitt- und Übersetzungsdienst Berlin“ und die daraus später erfolgte Gründung des, SED eigenen, „VEB INTERTEXT“ behandelt. Ebenso wird die Vereinigung der Sprachmittler der DDR (VdS), zuerst als Sektion des Verbandes der Journalisten der DDR (VdJ), später als selbständiger Verband, behandelt.
Ein kleiner Ausschnitt aus der Begründung des Projektes:

In der Geschichte hatte dieser Berufsstand schon immer für Spionage und Abwehr große Bedeutung. Jedes diplomatische Schriftstück zwischen verschiedensprachigen Staaten wird von ihnen übersetzt, jede Unterhaltung von Staatsmännern, Diplomaten, Fachleuten aus Wissenschaft und Wirtschaft von ihnen gedolmetscht. Ein Dolmetscher oder Übersetzer ist also ein potentieller Geheimnisträger. Außerdem entsteht gerade unter Staatsmännern und ihren persönlichen Dolmetschern oft ein enges Vertrauensverhältnis, wie zwischen Walter Ulbricht und Werner Eberlein, der im Anschluß an diese Tätigkeit einen steilen Aufstieg in der Parteihierarchie hatte. Auch Fremdsprachenkenntnisse von Politikern und Führungskräften führen nicht zum Wegfall dieses Berufsstandes. Feinheiten und Doppeldeutigkeiten der Fremdsprache werden vom Dolmetscher besser beherrscht und er wirkt zudem als „Filter“ im Gespräch. Eventuelle Missverständnisse werden so dem Dolmetscher angelastet, dadurch werden mitunter sogar diplomatische Krisen verhindert. Deutlich ist dies gerade in den 50er und 60er Jahren in der DDR zu sehen, wo große Teile der Regierung aus Emigranten, wie Pieck, Ulbricht usw., bestanden. Diese sprachen durch den langjährigen Aufenthalt in der Sowjetunion teilweise ein sehr gutes Russisch, bedienten sich jedoch aus den oben genannten Gründen bei offiziellen Gesprächen stets eines Dolmetschers.
So ist es also nicht verwunderlich, dass Dolmetscher und Übersetzer von den Geheimdiensten angeworben wurden, auf der anderen Seite aber stets verstärkt überwacht wurden. Hier spielte Leipzig als Universitäts- und Messestadt, in dem hier behandelten Zeitraum, eine wichtige Rolle. Die nachfolgende Beschreibung der Gründung eines Übersetzungsbetriebes ist dafür als exemplarisch zu werten.

Natürlich wird auch in diesem Projekt die Person von Josef Köhler an einer zentralen Stelle der Forschungsarbeit stehen, aber auch Wolfgang Höher und andere bereits behandelte Personen werden eine große Rolle spielen.

Aktenlage

Nach meinem Zwischenruf erreichten mich Anfragen zu meinen Erfahrungen bei der Arbeit mit Archiven, natürlich besonders der BStU. Ich möchte an dieser Stelle darauf kurz antworten, da jeder Fall aber einzigartig ist, beschränke ich mich auf allgemeine Aussagen. Für detaillierte Informationen sollte man sich mit den entsprechenden Stellen in Verbindung setzen.
Wenn man, wie ich, in den Archiven nach Informationen sucht, sind Überraschungen an der Tagesordnung.
Zum Ersten stellt sich die Frage, in welchen Archiven werde ich eigentlich fündig. Habe ich erst einmal ein Archiv gefunden, dann geht es weiter mit dem Schutz der Persönlichkeitsrechte, also muss ich nachweisen, dass ich berechtigt bin die Akten einzusehen, zum Beispiel durch den Nachweis des Verwandtschaftsgrades und den Nachweis, dass der Betreffende bereits vor mehr als 10 Jahren verstorben ist. Dann die Auswahl der Suchbegriffe, da ja nicht alle relevanten Akten unter dem Namen abgelegt sind, sondern eventuell auch unter einem Firmennamen, Decknamen oder Ähnlichem.
Ein Archiv zu finden scheint einfach zu sein, ist es aber nicht. Gerade im Falle der Jahrgänge, die den 2. Weltkrieg und die Nachkriegszeit erlebt haben kann es sein, dass Akten im Ausland liegen, wie in meinem Falle in Österreich und Russland. Durch die Kriegsgefangenschaft und die Aussiedelung sind Schulzeugnisse und Schülerakten verloren gegangen, es existieren Gefangenenakten, Wehrdienstakten, Ersatzpapiere wurden ausgestellt und es gibt natürlich die „berühmten“ Stasi-Akten. Nach vielen guten Ratschlägen, von Mitarbeitern der BStU, z.B. Dr. Roger Engelmann, habe ich also, wie bereits erwähnt, einen Forschungsantrag gestellt und diesen auch genehmigt bekommen. Ich konnte bereits Akten mit ca. 3000 Blatt einsehen und auswerten und mir ein erstes Bild machen.

Aber erst einmal das Wichtigste überhaupt, der Wahrheitsgehalt der Stasi-Akten. Diesen festzustellen ist nicht einfach, für Jeden, der sich damit beschäftigt sollte das Buch „Aktenlage“ von Roger Engelmann (ISBN 3-86153-098-8) schon fast zur Pflichtlektüre gehören. Ich habe es übrigens nicht nur in der DNB, sondern auch in unserer Stadtbibliothek gefunden. Im konkreten Falle meines Forschungsobjektes fand ich wichtige und neue Informationen, gepaart mit Banalitäten und falschen Details. Also sei hier Vorsicht geboten, den Genossen des MfS darf man nicht alles glauben, auch wenn die dargestellten Fakten im ersten Moment als das Ergebnis tiefgründiger Recherchen erscheinen.
Mit einigen Archiven, wie den Archiven der Jesuiten in München und Wien, dem Archiv der Universität Leipzig, der Handwerkskammer Leipzig und der Polizeidirektion Westsachsen, war die Zusammenarbeit recht unkompliziert.
Anders stellt sich die Arbeit mit russischen Archiven dar, man muss die Unterlagen aus dem RGWIA, wenn vorhanden, über eine Deutsche Institution wie den Suchdienst des Deutschen Roten Kreuzes oder die Stiftung Sächsische Gedenkstätten beantragen, was aber gut funktioniert. Die Archive des FSB und der anderen russischen Dienste, bei denen ich dazu angefragt habe, sind da logischerweise zurückhaltender mit der Herausgabe von Informationen, das ist wohl bei Geheimdiensten so. Trotzdem bekam ich eine, wenn auch nicht vollständige, Antwort auf meine Anfragen. Ich habe nach meinen neuesten Erkenntnissen natürlich sofort eine erneute Anfrage dorthin gestellt.
Alles in Allem ist die Arbeit der Informationsgewinnung in den Archiven eine reine Fleissaufgabe, die Auswertung der Informationen zieht sich noch lange hin, da ich natürlich keine wesentlichen Informationen ungeprüft veröffentlichen will und kann. Die Quellen, aus denen das MfS schöpfte, sind schweigsam und manchmal auch nicht mehr auffindbar. Also muss ich nach anderen Quellen suchen, oder auch manchmal eine spektakuläre Information ignorieren.
Also, wer ein ähnliches Projekt starten will braucht Geduld, Zeit und Beharrlichkeit.

Zwischenbemerkung

In der letzten Zeit erhielt ich über die Kontaktadresse mehrere Anfragen, warum es mit der Geschichte des Josef A. Köhler so schleppend vorangeht.
Ich freue mich natürlich über das Interesse an meiner Arbeit, möchte aber nicht jede Anfrage einzeln beantworten, sondern ich tue dies mit diesem „Zwischenruf“.
Im Frühjahr 2010 bemerkte ich, dass es in der Biographie des Josef A. Köhler Brüche gab, die mit den bisher von mir durchgeführten Recherchen nicht zu erklären sind. Deshalb stellte ich bei der Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (BStU) einen Forschungsantrag, mit dem Arbeitsitel „Zusammenarbeit mit MfS bzw. KGB am Einzelbeispiel Josef Anton Köhler“, der auch genehmigt wurde. Die Implikationen, die sich aus der Titelwahl ergeben, sind nicht zufällig, aber da meine Arbeit zu diesem Thema nicht abgeschlossen ist werde ich hier nicht näher darauf eingehen. Die Ergebnisse werden erst nach Fertigstellung dieser Forschungsarbeit publiziert.
Die Unwilligkeit einiger Stellen (hier ist ausdrücklich nicht die BStU gemeint) zur Kooperation bei der Forschung, die Nichtauffindbarkeit oder Sperrung von Akten in Archiven und natürlich das Problem der mangelnden Kooperation von Personen des ehemaligen MfS und KGB, können die Arbeit zwar erschweren, aber nicht verhindern.
Es wird also weiterhin nur sporadisch neue Beiträge im BLOG geben, ich bitte dies zu verzeihen.
An dieser Stelle sei den oben (nicht) genannten Personen und Institutionen nochmals versichert:

Es geht mir hier nicht um eine Abrechnung mit Ihnen. Ich möchte Ihnen die Möglichkeit geben, Ihre Version der Ereignisse zu schildern und ich werde diese Version auch unvoreingenommen, in Gegenüberstellung zu der von mir erarbeiteten Version, veröffentlichen. Wenn ich natürlich nur einseitig Informationen bekommen kann, wird auch das Resultat der Arbeit einseitig ausfallen. Eine Namensnennung, auf die ich bisher verzichtet habe, wird auch weiterhin nur auf Wunsch der Betroffenen erfolgen.