1951 – 1953

Im Sommer 1951 endete der erste Ausflug in das neue Leben, hierzu aus einem Fragment von 1989:

Es waren aber die gleichen Methoden, die auch die Häscher des KGB am 7. Juni 1951 anwandten, als sie mich in den Abendstunden in Berlin an der Ecke Tieckstraße – Chausseestrasse niederschlugen, halb bewußtlos in einen Opel Kapitän zerrten, fesselten und dann im Untersuchungsgefängnis in Hohenschönhausen in die Zelle Nr. 13 sperrten. Einundvierzig Tage Einzelhaft, bei sich tagtäglich wiederholenden Nachtverhören ohne Gewalteinwirkung, mit der ständig wiederkehrenden stereotypen Frage nach meinen Auftraggebern und meinen Verbrechen, die ich gegen die Sowjetvölker begangen hätte, folgten bange Monate in einem Untersuchungsgefängnis in Karlshorst, von wo ich über das Etappengefängnis in der Magdalenenstraße in Lichtenberg zusammen mit anderen Verurteilten nach Moskau und weiter an den Polarkreis in das Arbeitsbesserungslager Wessljana deportiert wurde.

Zu diesem Thema, welches ich im nächsten Beitrag noch näher ausführen werde, noch ein Auszug aus einem Brief vom 25.10.1987 an Andrej Gromyko, Vorsitzender des obersten Sowjets der UdSSR:

Da ich am 18.März 1988 mein 65. Lebensjahr vollenden und in den Rentenstand gehen werde und zur Beantragung meiner Altersrente nachweisen muß, wie viele Jahre ich gearbeitet habe, sehe ich den einzigen Weg aus dieser verfahrenen Situation darin, mich an Sie, als den obersten Repräsentanten der Sowjetunion, zu wenden, in der ich von Ende 1942 / Anfang 1943 bis September 1948 in Kriegsgefangenschaft (Stalingrad, Wladimir Lager 190/1) und vom Juni 1951 bis Dezember 1953 (Berlin-Karlshorst, Wjeljana KOMI-ASSR, Entlassung aus Kwardejsk, Kaliningradskaja Oblast) war (UK § 58/14) war.

Versuch einer Biographie

Josef Anton Köhler

1923-1994

Mein Name ist Josef Anton Köhler, ich wurde am 18. März 1923 in Fleyh, in der heutigen CSR, als Sohn des Tischlermeisters Anton Köhler und der Schneiderin Philomena Köhler geboren.

So könnte eine Autobiographie meines Vaters beginnen, wenn er sie geschrieben hätte. Ich bin natürlich nicht Josef Anton, sondern sein jüngster Sohn. Nun habe ich mich entschlossen, die Biographie meines Vaters zu schreiben und hier die einzelnen Schritte zu publizieren.

Warum eigentlich? Ist es nur, weil ich meinen Vater geliebt habe und hier würdigen will? Ist es um ihm ein Denkmal zu setzen? Habe ich nur Langeweile? Die Antwort ist etwas komplizierter.

Im Laufe meines Lebens, habe ich viele Geschichten von meinem Vater und über ihn gehört und nach dem Tode meiner Mutter sind so ziemlich alle Unterlagen über ihn in meinen Besitz gekommen. Da lagen sie nun, wurden mal angeschaut und mal vergessen. Die Arbeit, die Kinder und viele andere Dinge waren ja wichtiger und ich merkte nicht einmal, dass rund um mich immer mehr Zeitzeugen starben.

Jetzt, da ich viel Zeit habe, nahm ich die Unterlagen in die Hand und las in manchen Dokumenten über Dinge, die nie angesprochen wurden, über ganze Zeitabschnitte und Ereignisse, die ich aus den Erzählungen anders in Erinnerung hatte und ich fing erstmals an, die Dokumente zu ordnen. Die Differenzen, zwischen meinen Kenntnissen und den Dokumenten, wuchsen und ich begann in Archiven nach zusätzlichen Dokumenten zu suchen. Einige Ergebnisse habe ich bereits, andere stehen noch aus.

Was ich natürlich am Anfang nicht ahnte war, dass die Arbeit hochkompliziert ist, dass mit jedem neuen Dokument die möglichen Verbindungen zum Geschehen der damaligen Zeit wachsen, und es stellt sich eine Frage: „ WER und WAS war mein Vater wirklich?“.

Es kann also sein, dass ich feststelle, dass mein Vater KGB-Opfer oder KGB-Agent war (gleiches gilt für das MfS der DDR), dass er bekennender Katholik oder Atheist war, dass er seinen Beruf als Dolmetscher und Übersetzer vielleicht nur als Tarnung ausübte oder auch nicht.

Ich will es aber wissen. In diesem Blog werde ich meine Arbeit schildern, die Versionen gegenüberstellen und versuchen anhand der Dokumente eine komplette Biographie zu erarbeiten.