1961 und Folgejahre

Nach der Schließung der Grenzen traf es unsere Familie genau so wie viele andere: Alte Bekannte, Kollegen und Freunde wanderten auf die verschiedensten Weisen gen Westen. So zum Beispiel der langjährige Freund unserer Eltern und Hausarzt der Familie, für meinen Bruder und mich Onkel Horst, Dr. med. Horst Dreßler, der sich später aus Cuxhaven meldete. Auch andere verschwanden spurlos und meldeten sich, wenn überhaupt, später aus der BRD. Von Einigen liegen mir Postkarten und Briefe vor.

In der Folge werde ich einige kleine Artikel zu unserem Familienleben veröffentlichen, um diese Zeit ein wenig zu illustrieren. Den Beginn mache ich mit einem wichtigen Bestandteil, der Religion und der Kirche.
Wir waren katholisch, allen voran unsere Großmutter. Unser Großvater und unser Vater waren auf „männliche Art“ gläubig, das heißt sie gingen sonntags zum Gottesdienst, sprachen das Tischgebet und kümmerten sich ansonsten um ihre Arbeit. Unsere Mutter, als Konvertitin, hielt sich aus den Kirchenfragen heraus. Der wöchentliche Kirchgang genügte. Mein Bruder und ich gingen zum Religionsunterricht, nach der Erstkommunion wöchentlich zur Beichte (ich weiß nicht mehr was wir da jede Woche zu beichten hatten) und am Sonntag  zum Kindergottesdienst. Abends vor dem zu Bett gehen wurde das Abendgebet mit unserer Großmutter gemeinsam gesprochen.
Auf Grund unserer  Kirchenzugehörigkeit wurden wir mit der Einschulung auch keine Jungpioniere. Wir fanden das eigentlich schade – es sah doch so toll aus wenn die anderen mit weißem Hemd und Halstuch zum Appell antraten. Dafür durften wir aber nach dem Religionsunterricht bei unserem Kaplan die Bücher von Karl May lesen, das entschädigte für vieles.
Unsere Kirche war die Universitätskirche. Ich habe diese düstere und trotzdem wunderschöne Kirche geliebt. In meiner Erinnerung stand dort im linken hinteren Bereich eine Heiligenfigur mit einem Schwert, das war meine Lieblingsfigur.

Die Christmette,  die Auferstehungsmesse, die Prozession zu Fronleichnam und die Gottesdienste an anderen Feiertagen waren auch im Familienleben Höhepunkte. Unserere Großmutter verehrte besonders unseren ehemaligen Probst und späteren Bischof Otto Spülbeck. Sie sammelte alle Bilder, auf denen er zu sehen war, und auch das Buch „Der Christ und das Weltbild der modernen Naturwissenschaften“ fand ich in ihrem Nachlass. Ob sie es je gelesen hat?

Rückkehr

Am 28.12.1953 wurde Josef Köhler, über das Lager Fürstenwalde/Spree, in die Heimat entlassen.
Ihm wurde mitgeteilt, dass er sich als unbescholtener Bürger der DDR betrachten könne und, dass die Haftzeit, keine weiteren Konsequenzen nach sich ziehen würde.
Was er zu diesem Zeitpunkt noch nicht wusste war, dass er im Juli 1951 wegen (vermuteter) Republikflucht, aus der SED ausgeschlossen wurde.
Die Konsequenzen zeigten sich in den späteren Jahren.