Weggefährten – Ernst Hassenrück

Die Veröffentlichungen über Weggefährten von Josef A. Köhler soll dazu dienen, eventuell weitere Informationen über die betreffenden Personen zu finden.Josef Köhler und Ernst Hassenrück
Ernst Adolf Hassenrück wurde am 01. Januar 1930 in Lodz/Polen geboren. Sein Vater war protestantischer Pfarrer, seine Mutter Hausfrau. Er besuchte in Lodz die Schule bis 1945. Nach Kriegsende wurde die Familie in die DDR umgesiedelt und er legte, wahrscheinlich in Falkenau, das Abitur ab. Zuerst arbeitete Ernst Hassenrück bei der Wismut AG in Marienberg/Sachsen als Untertagearbeiter, später nach Ablegung eines Lehrgangs als Markscheider.
1950 qualifizierte er sich als Neulehrer und wurde Grundschullehrer an der Grundschule Flöha/Sachsen. Aus gesundheitlichen Gründen musste er diese Tätigkeit jedoch aufgeben. Vom Mai bis September 1953 arbeitete Ernst Hassenrück als Sachbearbeiter für Volksbildung beim für seine Heimatstadt zuständigen Rat des Kreises und bewarb sich um ein Studium an der Karl-Marx-Universität Leipzig.
Von 1953 bis 1957 studierte er an der Karl-Marx-Universität Leipzig, an der philosophischen Fakultät, das Fach Slawistik. Ernst Hassenrück wird in verschiedenen Quellen als Student mit sehr guten Leistungen bezeichnet. 1957 schloss er dieses Studium mit dem Staatsexamen ab und arbeitete in der Folgezeit als Assistent an der slavistischen Fakultät. Im Rahmen der Zerschlagung einer „staatsfeindlichen“ Gruppe um Dr. Schröder[1] an der Karl-Marx-Universität wurde gegen ihn 1957 ermittelt, er wurde mehrmals vom Ministerium für Staatssicherheit der DDR verhört und wurde an der Universität andersweitig eingesetzt. Gleichzeitig wurde er aus der SED ausgeschlossen.
Im Februar 1958 verließ Ernst Hassenrück die Karl-Marx-Universität endgültig und machte sich als Übersetzer und Dolmetscher selbständig. Anfang 1959 wurde er Mitglied des Übersetzerkollektivs.
IM Landau* behauptet, dass die Bekanntschaft von Ernst Hassenrück und Josef A. Köhler vom März oder April 1959 datiert. Vermittelt wurde diese durch eine Kollegin Hassenrücks von der Karl-Marx-Universität. Weiterhin behauptet Landau, dass Ernst Hassenrück etwa August 1959 zeitweise als amtierender Geschäftsführer des Übersetzerkollektivs und anschließend als Leiter der Gruppe slavische Sprachen eingesetzt wurde. Nach Gründung des Büros für technisch-wissenschaftliche Übersetzungen (TEWI) wäre er Übersetzer-Redakteur und ebenfalls Leiter der Gruppe slawische Sprachen geworden und hätte von Josef A. Köhler von Fall zu Fall Aufgaben zugewiesen bekommen, die die Gesamtarbeit des Büros speziell im Bereich Organisation betrafen.
Diese Stellung im Übersetzerkollektiv wird von keiner weiteren Quelle bestätigt, so schreibt IM Kirchner* nur von Köhler,  Schneider und Rudel. Aber die Behauptung ist dennoch glaubhaft
AP* schreibt über Ernst Hassenrück wie folgt:

Ernst Hassenrück kam mit Diplom vom slawischen Institut der Karl-Marx-Universität und hatte sich als Übersetzer für russisch und polnisch beworben. Inwieweit er eingesetzt wurde, weiß ich nicht.

Nach der Auflösung des Übersetzerkollektivs arbeitete Ernst Hassenrück weiter als freiberuflicher Übersetzer und Dolmetscher für Russisch, Polnisch und in geringerem Maße auch Tschechisch. Der größte Teil dieser Arbeit waren Übersetzer- und Dolmetscherleistungen für verschiedene Kombinate und VEB im Rahmen des RGW. Wie auch Josef A. Köhler war er auch von Anfang an Mitglied der Vereinigung der Sprachmittler (VdS) der DDR.
Ernst Hassenrück war zwei Mal verheiratet und hatte aus erster Ehe eine Tochter.
In den 70er Jahren nahm Ernst Hassenrück eine Anstellung in einem VEB an und verließ Leipzig. Mir ist nur bekannt, dass er in den Bezirk Dresden zog.
Ernst Hassenrück starb 1980.
[1] In einigen Unterlagen des MfS wird die Gruppe als Schröder/Zwerenz/Loest-Gruppe bezeichnet.
* Die Klarnamen der IM Kirchner und Landau, sowie der vollständige Name von A.P. sind dem Autor bekannt, werden aber wegen des Schutzes der Persönlichkeitsrechte nicht veröffentlicht.
Quellen:
BStU, MfS, BV Leipzig, AIM 364/87, Bd. I
BStU, MfS, BV Dresden, AIM 578/84, Bd. I
BStU, MfS, BV Leipzig, AIM 035/84, Bd. II
A.P. an Köhler, Thomas 04.11.2010 Übersetzerkollektiv eMail

Erzählung über die Kriegsgefangenschaft

In den 80er Jahren versuchte mein Vater ein Buch über die Kriegsgefangenschaft zu schreiben. Erhalten sind davon nur Fragmente, aus denen ich an dieser Stelle zitieren möchte. Ich habe die Teile ausgewählt in denen Namen und konkrete Ereignisse geschildert sind.
Das vorliegende Fragment schildert die Überführung von zwanzig deutschen Kriegsgefangenen vom Kloster Susdal in ein nicht näher bezeichnetes Lager.

Sie – das waren zwanzig Soldaten, Unteroffiziere und ein Feldwebel von den im Spätsommer nach ihrer Gefangenschaft aus Stalingrad in ein Lazarett nördlich von Moskau gebrachten Angehörigen der zerschlagenen 6. Armee, die kurz vor Weihnachten zu leichteren Innendienstarbeiten in das dortige Offiziers- und Generalslager verlegt worden waren, in dem sich auch ihr ehemaliger Stabschef, Generalleutnant Schmidt befand.

Es folgt eine ausführliche Schilderung des zurückgelegten Weges, die Beschreibung der Wachposten und eine kurze Beschreibung des Erzählers (Sepp):

Die Männer in den feldgrauen Uniformen hatten ihr Gepäck, ihre Mäntel und Feldmützen abgelegt, die Uniformjacken aufgeknöpft, an denen die einen noch ihre Kriegsauszeichnungen, alle aber, bis auf einen, den Hoheitsadler mit dem Hakenkreuz trugen. Dieser eine war mit knapp 21 Jahren der Jüngste von ihnen. Während die anderen im Kloster gearbeitet hatten, hielt er sich im Offiziershospital auf, wohin ihn Leutnant Mlynek, ein Mann vom NKFD, und der dort als Politinstrukteur tätige Berliner Kommunist und Emigrant Knittel, abkommandiert hatten. Von ihm wusste man wenig und das Wenige war widerspruchsvoll. Nur das eine war sicher: er wäre der einzige, der sich mit den Posten in ihrer Sprache hätte unterhalten können, außer Kaufmann natürlich, der als Sudetendeutscher gleich gut deutsch und tschechisch und in Folge seines von Kriegsbeginn an ständigen Einsatzes an der Ostfront auch polnisch und russisch sprach.

Nach dem langen Fußmarsch, im Lager angekommen wird eine Untersuchung durchgeführt und die Kriegsgefangenen werden in der Quarantänebaracke untergebracht. Dort werden die Einzelcharaktere und ihre Herkunft geschildert:

Die beiden hier anwesenden, Sepp und Rudi, waren zusammen mit Heinz Kaminsky, Jürgen Marlott, Hegelwald, Engler und einigen anderen bei der 384 ID [Infanteriedivision] gelandet, zu der die Panzergrenadierregimenter 533, 534 und 535 gehörten. Wiedergetroffen nach dem Durcheinander hatten sie sich erst im Lazarett Leschnjewo. Wie eng und echt ihre Kameradschaft sein mußte und auch war, konnte niemand in Zweifel ziehen. Frästorf und Sepp hatten sich in Beketowka kennen gelernt und schätzten einander sehr. Dann gab es noch Phillip. Er stammte irgendwoher aus dem Badischen und war der Älteste unter ihnen. Ihn hatte man schon 1938 zum Kriegsdienst gezogen. Dann wurde einer „Konzertmeister“ gerufen. Dieser hatte eigentlich Musik studieren wollen und wirkte gelegentlich als Geiger im Theaterorchester einer Kreisstadt im nordböhmischen Braunkohlenrevier mit, aus deren Gegend Sepp stammte. Er hieß Toni, pflegte sich der gehobeneren Sprache zu bedienen, wenn er überhaupt etwas sagte und schaute seinem Gesprächspartner über die starken Gläser seiner Gasschutzbrille hinweg immer gerade in die Augen, als wollte er irgendetwas ergründen.

Gleich beim ersten Gefecht war die zweite Kompanie restlos aufgerieben worden. Unter anderen waren Hegewald und Marlott gefallen. Heinz war einer der wenigen die einigermaßen heil davon gekommen waren. Hegewald war ein stämmiger, hochgewachsener Bursche, bescheiden und ruhig. Als Rekrut war er nur dadurch aufgefallen, daß auf seinen ein wenig groß geratenen Kopf kein Stahlhelm passen wollte. Jürgen Marlott war ungefähr so groß wie Heinz, der sich unter den anderen Rekruten seiner Gruppe klein ausnahm. Während der Übungen auf dem Truppenübungsplatz mußten die Kleinen meist die MG-Schützen II und III spielen, denn die Ausbildungsoffiziere Netzband, Schröder und … wie auch der Unteroffizier Papendick, ein eingezogener Schauspielereleve, der dem Herumkommandieren weder eine ästhetische noch eine ethische Seite abgewinnen konnte, in diesem besonderen Fall aber mit in das gleiche Horn tuten mußte, meinten, daß sich die kürzer gewachsenen besser zum Tragen der schweren Patronenkästen eignen, weil sie sich im Ernstfall vom Bodenrelief nicht so stark abheben. So war denn bei der ersten Feindberührung Hegewald als MG-Schütze I und Marlott als MG-Schütze II gefallen.

Er, Sepp und der aus Wien stammende Hibert hatten dort in der stupiden Rekrutenzeit eine „Künstlergruppe“, wie sie sich nannten, gebildet die mit ihrem Gesangstrio, Zauberkünsten, exotischen Stepptänzen, Musikalclowns, Parodien, Pantomimen und einer kleinen Tanzkapelle vor den Soldaten auftrat, in den benachbarten kleinen Städtchen mit großem Erfolg öffentlich gastierte und sogar die zu jener Zeit sehr beliebte Etzelbühne mit den ergreifenden Volksstücken in den Schatten stellte. „Jürgen – das war der große Magier, der nicht nur alle Kartenkunststücke beherrschte und dem aus Leipzig stammenden Oberleutnant Knösel ein Zweimarkstück nach dem anderen aus allen Löchern im Kopf zog, sondern der auch als Kaskadeur über die Bühne wirbelte um dann plötzlich mitten aus dem Zuschauerraum als Professor Filutek verkleidet die Szene zum Finale zu betreten. Das war Jürgen!“ sagte Sepp und dann war Ruhe.

Im Fragment werden auch noch weitere Namen genannt, wie der Lagerkommandeur Reinhold Schmitt und ein den Russen „Dr. Goffmann“ genannter deutscher Stabsarzt, also Dr. Hoffmann