Zwischenbemerkung

In der letzten Zeit erhielt ich über die Kontaktadresse mehrere Anfragen, warum es mit der Geschichte des Josef A. Köhler so schleppend vorangeht.
Ich freue mich natürlich über das Interesse an meiner Arbeit, möchte aber nicht jede Anfrage einzeln beantworten, sondern ich tue dies mit diesem „Zwischenruf“.
Im Frühjahr 2010 bemerkte ich, dass es in der Biographie des Josef A. Köhler Brüche gab, die mit den bisher von mir durchgeführten Recherchen nicht zu erklären sind. Deshalb stellte ich bei der Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (BStU) einen Forschungsantrag, mit dem Arbeitsitel „Zusammenarbeit mit MfS bzw. KGB am Einzelbeispiel Josef Anton Köhler“, der auch genehmigt wurde. Die Implikationen, die sich aus der Titelwahl ergeben, sind nicht zufällig, aber da meine Arbeit zu diesem Thema nicht abgeschlossen ist werde ich hier nicht näher darauf eingehen. Die Ergebnisse werden erst nach Fertigstellung dieser Forschungsarbeit publiziert.
Die Unwilligkeit einiger Stellen (hier ist ausdrücklich nicht die BStU gemeint) zur Kooperation bei der Forschung, die Nichtauffindbarkeit oder Sperrung von Akten in Archiven und natürlich das Problem der mangelnden Kooperation von Personen des ehemaligen MfS und KGB, können die Arbeit zwar erschweren, aber nicht verhindern.
Es wird also weiterhin nur sporadisch neue Beiträge im BLOG geben, ich bitte dies zu verzeihen.
An dieser Stelle sei den oben (nicht) genannten Personen und Institutionen nochmals versichert:

Es geht mir hier nicht um eine Abrechnung mit Ihnen. Ich möchte Ihnen die Möglichkeit geben, Ihre Version der Ereignisse zu schildern und ich werde diese Version auch unvoreingenommen, in Gegenüberstellung zu der von mir erarbeiteten Version, veröffentlichen. Wenn ich natürlich nur einseitig Informationen bekommen kann, wird auch das Resultat der Arbeit einseitig ausfallen. Eine Namensnennung, auf die ich bisher verzichtet habe, wird auch weiterhin nur auf Wunsch der Betroffenen erfolgen.

1970 – 1972

In vorherigen Beiträgen erwähnte ich bereits einen Lebenslauf, den mein Vater Anfang der 70er Jahre geschrieben hat. Ich konnte diesen inzwischen auf Mai 1972 datieren und möchte mich hier wieder auf diesen Lebenslauf beziehen.
Was ich, als damals 15jähriger, nicht wusste war, dass die Krankheiten meines Vaters ihn dazu brachten, die Arbeit als Dolmetscher ganz aufzugeben und sich auf den Unterricht an der Volkshochschule und das Übersetzen zu konzentrieren.

Hinsichtlich meiner Gesundheit leide ich an einer Leberschwellung, Kreislaufstörungen und habe eine schwere Nierenbeckenentzündung im vergangenen Jahr hinter mich gebracht.

Durch die gesundheitlichen Probleme bedingt, wurde auch die Erholung immer wichtiger für ihn. Nachdem wir im Jahre 1969 beim Bruder unserer Mutter unseren Urlaub verbracht hatten, kauften meine Eltern sich im Jahre 1970 ein Kajütboot. Zu diesem Boot muss ich einfach ein paar Anmerkungen machen, da es aus späterer Sicht ein unüberlegter Kauf war, der in der Folge Probleme mit sich brachte.
In einer Zeitschrift, ich glaube es war die „Wochenpost“, wurde dieses Boot zum Kauf angeboten, der Liegeplatz war in Halle/Saale. Meine Eltern fuhren dort hin, sprachen mit dem Besitzer, der gleichzeitig der Erbauer war und wurden sich schnell einig. Dieses Boot war ein Mittelkajütboot, d.h. der Führerstand war vor der Kajüte. Um ins Heck zu kommen musste man durch diese hindurch gehen. Im der Kajüte waren rechts und links je zwei Kojen übereinander angeordnet, mit einer Länge von ca. 1,75 m. Ein Schrank an jeder Seite schloss die Inneneinrichtung ab.
Im Heck waren rechts und links die Motoren, im Anschluss an die Kajütwand, fest eingebaut. An Backbord ein Fiat-Motor Baujahr ca. 1935 mit 26 PS, an Steuerbord ein Wartburg- Motor mit900 cm³,  unbestimmten Baujahres. Diese waren in Holzkästen eingebaut, die als Sitzplätze verwendet werden konnten. Dazu kam noch eine Sitzbank am Heck, das wars auch schon. Das Boot war ca. 6 m lang und 2 m breit und hatte den Namen „Faun“.
1970 wurde das Boot im Frühsommer von Halle über die Saale, die Elbe und die Havel zum Grundstück unseres Onkels überführt und im Sommer fuhren wir die Havel aufwärts in Richtung Potsdam. Dort fanden wir einen kleinen Zeltplatz am Templiner See, damals noch privat betrieben, der sich an das Forsthaus „Gaisberg“ anschloss. Dieser Zeltplatz sollte bis 1989 das Sommerquartier unserer Familie bleiben. Da die Reisen innerhalb der DDR von Leipzig nach Halle, nach Premnitz oder nach Potsdam ziemlich umständlich waren, machten unsere Eltern im Winter 1970/71 beide den Führerschein und im Frühjahr 1971 kauften sie ihr erstes Auto. Einen Moskwitsch 403, Baujahr 1964, den sie einem Bekannten abkauften.
Für diese Anschaffungen reichte das Ersparte aber nicht, so dass sich unsere Eltern bei Kollegen und Verwandten verschuldeten.

Ein Brief aus der Sowjetunion

In den 60er Jahren arbeitete die Ehefrau eines sowjetischen Offiziers für meinen Vater als Schreibkraft. Mein Bruder und ich können uns leider nicht mehr an den Namen erinnern, aber ein Photo aus dieser Zeit konnten wir identifizieren. Ein zweites Photo zeigt sie, allerdings nur von hinten, im Industrieladen Foto-Kino-Optik (ILAFOT) in Leipzig. Die eigentlich, wahrscheinlich, wichtige Person auf dem Bild scheint aber die junge Frau zu sein. Von dieser Mitarbeiterin meines Vaters gibt es aber einen Brief, leider ohne Unterschrift und Absender. Sie schrieb diesen Brief nach der Rückkehr in die Sowjetunion. In den nächsten Wochen werde ich noch einige alte Bekannte und Kollegen meines Vaters interviewen, vielleicht bekomme ich zu dieser Frau noch nähere Auskünfte.

Übersetzung des Briefes:

Liebe Freunde, Antoscha, Renate, Oma, Opa, Mischa, Thomas,
jetzt sind wir schon daheim, sind gut angekommen, haben die Zuweisung in unsere Stadt und für eine Wohnung durchbekommen. Wassilij arbeitet schon, ich habe Bauarbeiten gemacht, wir renovieren die Wohnung von Grund auf, unsere Sachen sind noch nicht eingetroffen. Ich kann mich noch nicht an all das gewöhnen, ich möchte arbeiten, das Klima macht mir schrecklich zu schaffen, der Kopf schmerzt noch mehr, und es scheint, keine Luft zum atmen zu geben. Wir sind Euch sehr dankbar dafür, daß wir alles dort gekauft haben, denn hier gibt es keine große Auswahl. Ich weiß nur nicht, wie alles hier ankommt, ganz oder nicht. Herzlichen Dank für den Kuchen, wir aßen ihn auf dem ganzen Weg. Unseren Verwandten und Freunden haben wir sehr viel von Euch erzählt, die Photos gezeigt. Bleibt immer gesund und lebensfroh wie stets. Sascha lernt gut, im Sommer macht er ein sechsmonatiges Praktikum. Er grüßt Euch alle und Ernst. Antoscha, schreib, was es Neues gibt bei Euch, wie es zu Hause läuft. Schreib oder komm nach Moskau. Laß mich genau wissen wann, vielleicht komme ich auch. Wenn jemand anders kommt, laß es mich auch wissen. Ich schicke dann gleich Geld. Bei uns ist es noch kalt. Was habt Ihr für Wetter? Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie es ist, wenn ich wieder arbeite, so veil ist noch mit der Renovierung und den Möbeln zu machen. Schreib, Antoscha, sei nicht schreibfaul. Wie geht es Euch dort, und was hat sich bei Euch geändert? Wir haben große Sehnsucht nach Euch, wir denken oft an Euch. Auf Wiedersehen. Wir küssen Euch. Schreib.

Vielen Dank an Peter Steger für die Übersetzung.