VdS der DDR – Zeitzeugen gesucht!

Vereinigung der Sprachmittler – Bezirksverband Leipzig

In einigen älteren Artikeln wird bereits die Vereinigung der Sprachmittler (VdS) der DDR erwähnt, aber ich habe dazu noch keine Ausführungen gemacht.
Bevor ich mit diesen beginne, erst einmal zum Begriff „Sprachmittler“. In der DDR-Terminologie wurde dieser Begriff eingeführt, um die Berufsgruppe der Dolmetscher und Übersetzer zu bezeichnen. International wird diese Berufsgruppe meist einheitlich benannt, so zum Beispiel im Englischen als translator (obwohl für den Dolmetscher auch interpreter möglich ist), im Russischen ist die einheitliche Bezeichnung переводчик. Weitere Angaben zum Terminus finden Sie im Wikipedia-Artikel.
In meinen Artikeln über die 50er Jahre habe ich über die ersten Betriebsgründungen gesprochen, was aber noch fehlte war ein Berufsverband. Die erste Vereinigung erfolgte, aus welchen Gründen auch immer, als Sektion des Verbandes der Journalisten (VDJ) der DDR bereits Anfang der 60er Jahre (wahrsch. 1962). Der Name dieses Verbandes lautete „Sektion Dolmetscher und Übersetzer“, später wurde daraus die Vereinigung der Sprachmittler der DDR (VdS) beim VDJ. Erst nach der Wende wurde dieser Berufsverband selbständig und gleich wieder abgewickelt.
Wenn ich hier keine genauen Daten verwende, so liegt das daran, dass es leider keine Dokumentation dieser Vereinigung gibt. Da Josef Köhler aber langjähriges Mitglied des Bezirksvorstandes Leipzig der VdS und Leiter der Sprachgruppe Russisch in Leipzig war, ist dieser Verband wenn auch nicht als sein Werk, aber zumindest als wichtiger Bestandteil seines Lebens zu sehen.
Also werde ich mich im Rahmen meiner Arbeit auch mit diesem Berufsverband eingehend beschäftigen. Wenn ich in den weiteren Ausführungen vom Verband spreche, dann ist vom Bezirksverband Leipzig die Rede.
Die Anfänge liegen wie immer im Dunkel, aber es kann gesagt werden, dass die Russischgruppe und der Bezirksvorstand anfangs in der Gaststätte „Chausseehaus“ in Leipzig ihr Domizil hatten. In den 70er Jahren bekam der Verband die ersten eigenen Geschäftsräume in Leipzig. Die ehemalige „Schuhmacherei Krosse“ in der Löhrstraße 6 (gegenüber der Volkshochschule) wurde zur Geschäftsstelle umgebaut. 1983 wurde nach großen, mit sehr „kreativen“ Mitteln durchgeführten, Umbaumaßnahmen das „Bildungs- und Veranstaltungszentrum der VdS“ im Zeppelinhaus, Leipzig Nikolaistraße 27-29, in der obersten Etage, eingeweiht.
In den nächsten Artikeln werde ich näher auf die Strukturen des Verbandes eingehen, einige Verbandsmitglieder nennen und über die Entwicklung und Arbeit der VdS schreiben.
Hier meine Bitte an Sie!
Wenn Sie Mitglied der VdS der DDR waren, Mitglieder kannten oder andere hilfreiche Informationen über diesen Verband machen können – melden Sie sich bitte bei mir.

Bilder aus der Verbandsarbeit, Exemplare der Zeitung „Nachrichten für Sprachmittler“, die Schilderung von Erlebnissen in der VdS oder ähnliches sind immer willkommen. Sollten Sie hier im Blog oder in der späteren Publikation nicht namentlich genannt werden wollen, so werde ich dies auch nicht tun. Der Schutz Ihrer Persönlichkeitsrechte ist selbstverständlich.
Auch die Genossen der Abteilung VIII, Arbeitsgruppe II der Bezirksverwaltung Leipzig des MfS, die diesen Verband, von der „anderen Seite“ her, betreuten, z.B. Hansen*, Fleischer* und Polenz*, lade ich zur Mitarbeit ein. Für Sie gilt natürlich ebenso das Prinzip der Vertraulichkeit.
* Decknamen des MfS, die Namen sind dem Autor bekannt

Neues Forschungsprojekt

Wie ich im Artikel Zwischenbemerkungen schrieb, habe ich bereits mit einem Forschungsprojekt, „Zusammenarbeit mit KGB und MfS am Einzelfallbeispiel Josef A. Köhler„, begonnen. Nun arbeite ich immer noch an den Ereignissen in den 50er Jahren und ich musste feststellen, dass der zeitgeschichtliche Aspekt meiner Arbeit immer mehr das ursprüngliche Ziel der Biographie verdrängt.
Somit habe ich ein neues Forschungsprojekt begonnen, welches aber ursächlich mit der bisherigen Arbeit zusammenhängt und für das Verständnis des Geschehens wichtig ist.
Dieses Projekt hat den Arbeitstitel „Dolmetscher und Übersetzer, sowie ihre Berufsverbände und Betriebe, als Quelle und Ziel für nachrichtendienstliche Tätigkeit„. Als Exempel wird hier die Gründung des „Übersetzerkollektivs Leipzig“, dessen Übergang zum „VEB Büro für technisch-wissenschaftliche Übersetzungen“ (TEWI), dessen spätere Übernahme durch den „VEB Globus, Zeitungsausschnitt- und Übersetzungsdienst Berlin“ und die daraus später erfolgte Gründung des, SED eigenen, „VEB INTERTEXT“ behandelt. Ebenso wird die Vereinigung der Sprachmittler der DDR (VdS), zuerst als Sektion des Verbandes der Journalisten der DDR (VdJ), später als selbständiger Verband, behandelt.
Ein kleiner Ausschnitt aus der Begründung des Projektes:

In der Geschichte hatte dieser Berufsstand schon immer für Spionage und Abwehr große Bedeutung. Jedes diplomatische Schriftstück zwischen verschiedensprachigen Staaten wird von ihnen übersetzt, jede Unterhaltung von Staatsmännern, Diplomaten, Fachleuten aus Wissenschaft und Wirtschaft von ihnen gedolmetscht. Ein Dolmetscher oder Übersetzer ist also ein potentieller Geheimnisträger. Außerdem entsteht gerade unter Staatsmännern und ihren persönlichen Dolmetschern oft ein enges Vertrauensverhältnis, wie zwischen Walter Ulbricht und Werner Eberlein, der im Anschluß an diese Tätigkeit einen steilen Aufstieg in der Parteihierarchie hatte. Auch Fremdsprachenkenntnisse von Politikern und Führungskräften führen nicht zum Wegfall dieses Berufsstandes. Feinheiten und Doppeldeutigkeiten der Fremdsprache werden vom Dolmetscher besser beherrscht und er wirkt zudem als „Filter“ im Gespräch. Eventuelle Missverständnisse werden so dem Dolmetscher angelastet, dadurch werden mitunter sogar diplomatische Krisen verhindert. Deutlich ist dies gerade in den 50er und 60er Jahren in der DDR zu sehen, wo große Teile der Regierung aus Emigranten, wie Pieck, Ulbricht usw., bestanden. Diese sprachen durch den langjährigen Aufenthalt in der Sowjetunion teilweise ein sehr gutes Russisch, bedienten sich jedoch aus den oben genannten Gründen bei offiziellen Gesprächen stets eines Dolmetschers.
So ist es also nicht verwunderlich, dass Dolmetscher und Übersetzer von den Geheimdiensten angeworben wurden, auf der anderen Seite aber stets verstärkt überwacht wurden. Hier spielte Leipzig als Universitäts- und Messestadt, in dem hier behandelten Zeitraum, eine wichtige Rolle. Die nachfolgende Beschreibung der Gründung eines Übersetzungsbetriebes ist dafür als exemplarisch zu werten.

Natürlich wird auch in diesem Projekt die Person von Josef Köhler an einer zentralen Stelle der Forschungsarbeit stehen, aber auch Wolfgang Höher und andere bereits behandelte Personen werden eine große Rolle spielen.

1960 – 1962

Familie:

Meine Mutter Renate Köhler arbeitete bis Mitte 1962  als Kindergärtnerin und beendete dann diese Tätigkeit, womit auch die Kindergartenzeit für meinen Bruder und mich endete. Ab Mitte 1962 war sie Hausfrau, belegte im weiteren einen Lehrgang zur Erlangung der Sprachkundigenprüfung in Russisch, lernte Schreibmaschine schreiben und arbeitete mit Josef Köhler zusammen als Übersetzer.

1961/62 traten in Leipzig Ruhrerkrankungen auf, dadurch wurden erst mein Bruder im Krankenhaus Zwenkau, und dann mein Bruder und ich im Krankenhaus St. Georg Leipzig in Quarantäne genommen.

Anton Köhler führte seine Tischlerwerkstatt weiter und Philomena Köhler kümmerte sich mit unserer Mutter um uns Kinder und den Haushalt, was zu wachsenden Spannungen zwischen Renate und Philomena führte.

Mit der Einschulung meines Bruders im September 1962 an der Leibniz-Oberschule Leipzig begann für uns Kinder auch das Gemeindeleben in der St. Trinitatis Gemeinde Leipzig, da der Katholizismus im Leben unserer Familie, besonders bei unseren Großeltern, eine große Rolle spielte.

Arbeit:

Ein großer Teil der Arbeit meines Vaters Josef Köhler spielte sich auf Reisen ab die Dolmetschertätigkeit überwog und ich kann mich an viele Zeiten ohne unseren Vater erinnern. Auftraggeber in dieser Zeit waren die Vereinigung Volkseigener Betriebe (VVB) Mechanik Leipzig, das Amt für Wasserwirtschaft beim Ministerrat der DDR und andere. In seinem Reisepass sind Stempel von Moskau, Prag und Budapest. Es zeigte sich also, dass die Haftzeit von 1959 – 1960 auf seine Dolmetschertätigkeit kaum Auswirkungen hatte.

Im Jahre 1962 wurde die Vereinigung der Sprachmittler der DDR (VdS) als Sektion des Verbandes der Journalisten der DDR  (VdJ) gegründet. Josef Köhler war eines der Gründungsmitglieder.

Weiterhin unterrichtete er an der Volkshochschule (VHS) Leipzig die russische Sprache.

Die Arbeit bei der Nationalen Front (NF) der DDR endete bei der Haftentlassung, da sein Ausweis als Mitglied des Bezirksausschusses einbehalten und er nicht zu leitenden Mitarbeitern vorgelassen wurde, als er diese Angelegenheit klären wollte. Wahrscheinlich hatte auch die politische Lage in der DDR darauf einen Einfluss. War bis 1960 die gesamtdeutsche Arbeit wesentlicher Bestandteil der Arbeit der NF, so änderte sich dies im Jahre 1961, als die Teilung Deutschlands endgültig wurde. Somit hatte man keine Verwendung mehr für viele alte Mitarbeiter.

Josef Köhler bemühte sich in diesen Jahren auch weiterhin um seine endgültige Rehabilitation,betreffs seines Ausschlusses aus der SED, konnte aber nur erreichen, dass der Ausschluss in eine Streichung der Mitgliedschaft geändert wurde. Dies bedeutete, dass er de jure nie SED Mitglied war.