1951 – 1953 Erklärungen


Zum vorstehenden Artikel gibt es durchaus Ergänzungsbedarf, wie ich aus einigen Reaktionen erkennen musste.
Da wäre zum Ersten die Erläuterung zu den Örtlichkeiten in der Komi ASSR, einen Ort namens Wessljana bzw. Wjeljana findet man auf keiner Landkarte. Ich weiß nicht, ob es sich um alte Transkriptionen oder einfach Fehler handelt, bei diesen Namen handelt es sich um das Gebiet um den Fluss Wesljana, der ein Nebenfluss des Wym ist.
In diesem Gebiet wurde Ende der 1940er Jahre die Petschora Eisenbahn, unter Einsatz von Gulag-Häftlingen, bis Workuta verlängert.
Mehrere Lager, in denen auch  deutsche Kriegsgefangene, sowie durch Sondertribunale verurteilte deutsche Häftlinge lebten, befanden sich in diesem Gebiet.
Die genaue Bezeichnung des Lagers, in dem mein Vater inhaftiert war, ist mir nicht bekannt.
Der im Brief an A. Gromyko benannte § 58/14 des sowj. Strafgesetzbuches beinhaltet den Tatbestand Konterrevolutionäre Sabotage. Das erklärt auch die Form der Verhaftung und der Untersuchungshaft.
Das Untersuchungsgefängnis in Karlshorst, war der SMAD (Sowjetische Militäradministration in Deutschland) unterstellt.
Über die Gründe für den Aufenthalt meines Vaters in Berlin, zur Zeit der Verhaftung, liegen mir keine Angaben vor.

1951 – 1953

Im Sommer 1951 endete der erste Ausflug in das neue Leben, hierzu aus einem Fragment von 1989:

Es waren aber die gleichen Methoden, die auch die Häscher des KGB am 7. Juni 1951 anwandten, als sie mich in den Abendstunden in Berlin an der Ecke Tieckstraße – Chausseestrasse niederschlugen, halb bewußtlos in einen Opel Kapitän zerrten, fesselten und dann im Untersuchungsgefängnis in Hohenschönhausen in die Zelle Nr. 13 sperrten. Einundvierzig Tage Einzelhaft, bei sich tagtäglich wiederholenden Nachtverhören ohne Gewalteinwirkung, mit der ständig wiederkehrenden stereotypen Frage nach meinen Auftraggebern und meinen Verbrechen, die ich gegen die Sowjetvölker begangen hätte, folgten bange Monate in einem Untersuchungsgefängnis in Karlshorst, von wo ich über das Etappengefängnis in der Magdalenenstraße in Lichtenberg zusammen mit anderen Verurteilten nach Moskau und weiter an den Polarkreis in das Arbeitsbesserungslager Wessljana deportiert wurde.

Zu diesem Thema, welches ich im nächsten Beitrag noch näher ausführen werde, noch ein Auszug aus einem Brief vom 25.10.1987 an Andrej Gromyko, Vorsitzender des obersten Sowjets der UdSSR:

Da ich am 18.März 1988 mein 65. Lebensjahr vollenden und in den Rentenstand gehen werde und zur Beantragung meiner Altersrente nachweisen muß, wie viele Jahre ich gearbeitet habe, sehe ich den einzigen Weg aus dieser verfahrenen Situation darin, mich an Sie, als den obersten Repräsentanten der Sowjetunion, zu wenden, in der ich von Ende 1942 / Anfang 1943 bis September 1948 in Kriegsgefangenschaft (Stalingrad, Wladimir Lager 190/1) und vom Juni 1951 bis Dezember 1953 (Berlin-Karlshorst, Wjeljana KOMI-ASSR, Entlassung aus Kwardejsk, Kaliningradskaja Oblast) war (UK § 58/14) war.

1948 – 1951

Im September 1948  wurde ich repatriiert und kam zur Abteilung Grenze und Bereitschaften 1. Im Oktober ging ich nach Dresden zum sowj. Berater als Dolmetscher und ließ mich im Dezember zur Abt. K nach Leipzig versetzen. Hier arbeitete ich in der Fahndung, im Sekretariat des Leiters, in VP 4 und ging 1950 zum Studium an das slavistische Institut.

So der Lebenslauf aus den 70er Jahren.

Am 23.9.1948 wurde ich aus sowj. Kriegsgefangenschaft entlassen. Seit diesem Tage bis zum 31.3.50 war ich Angehöriger der Volkspolizei. SED seit 27.10.48.

(Aus dem Lebenslauf von 1950)
Der nahtlose Übergang von der Kriegsgefangenschaft zum Polizeidienst ist keine Ausnahme, da bereits in den Kriegsgefangenenlagern Mitarbeiter für die verschiedensten Aufgaben angeworben wurden. Teilweise wurde auch eine Entlassung von diesen Verpflichtungserklärungen abhängig gemacht. Auch für die Mitgliedschaft in der SED wurde in den Kriegsgefangenenlagern geworben.
Über die Dienstzeit bei der Volkspolizei ist nichts bekannt, es liegt nur das Dienstleistungszeugnis vom 31.März 1950, Volkspolizei-Präsidium Leipzig, Abteilung Personal vor, in dem die Zugehörigkeit zur Volkspolizei, vom 24.9.1948 bis 31.03.1950, bestätigt wird. Dort heißt es:

Er war anfänglich in einer Bereitschaft und wurde im Dezember 1948 zur Kriminalpolizei Leipzig versetzt. Hier fand er als Sachbearbeiter Verwendung und er hat sich auf Grund seiner guten geistigen Veranlagung schnell in das ihm neue Aufgabengebiet eingearbeitet.

Herr Köhler verläßt am 31.03.1950 den Volkspolizeidienst auf eigenen Wunsch, um an einer verantwortlichen Stelle, seinen Kenntnissen entsprechend, eingesetzt zu werden.
Leiter der Abteilung Personal
Freyer
Volkspol.-Oberrat

Als Nächstes finden sich zwei  Arbeiten zur Begabtenprüfung, „Gorkijs Leben und Werk“ als fachliche Arbeit vom 3.7.1950 und „Unser Kampf um den Frieden“ als gesellschaftswissenschaftliches Thema vom 4.7.1950. Diese wurden am Slavistischen Institut bei Prof. Dr. R. Olesch und Prof. Dr. Harig eingereicht.
Am 7.Juli 1950 wird von der Arbeiter- und Bauernfakultät der Universität Leipzig folgende Bescheinigung ausgestellt:

Herr Josef K ö h l e r
Geb. am 18.03.1923 in Fleyh, Kreis Dux. C.S.R.,
legte in der Zeit vom 3.-5. Juli 1950 vor der Prüfungskommission für die Zulassung zum Studium ohne Abgangszeugnis einer zur Universitätsreife führenden Schule die Begabtenprüfung ab, die er mit befriedigend bestand.
Gemäß Anordnung des Ministeriums für Volksbildung, Hauptabteilung Hochschulen und Wissenschaft, kann Herr Köhler für das Studium der Slavistik an der Universität Leipzig immatrikuliert werden.

Für das Studienjahr 1950/51 wurde er an der Universität Leipzig, Institut für Slavistik immatrikuliert.