Eine meiner ersten Erinnerungen ist, dass beim täglich bei meiner Großmutter, Philomena Köhler, stattfindenden Abendgebet um die Rückkehr unseres Vaters gebetet wurde. Als Jugendlicher fragte ich meinen Vater danach, da ich ja wusste, dass es sich nicht um die Kriegsgefangenschaft, die mir damals bekannt war, handeln konnte. So erfuhr ich erstmalig von der Inhaftierung 1959.
Am 10. Mai 1960 wurde Josef Köhler aus der Haft entlassen und mit Schreiben des Staatsanwaltes des Bezirkes Leipzig, vom 13. Juni 1960, wurde das Ermittlungsverfahren eingestellt.
Es begann also wieder ein neuer Abschnitt, denn wie im vorigen Beitrag beschrieben, war die Fortsetzung des Betriebsaufbaues nicht mehr möglich.
Für den inzwischen bestehenden Betrieb wurde Josef Köhler Hausverbot erteilt.
1959 – Das Jahrzehnt geht zu Ende
Die Existenz des Übersetzerkollektives Leipzig ist nicht durch Unterlagen belegt, aber es existiert zumindest die Postkarte eines Mitgliedes, Leo Peter Rudel, vom 27.07.1959 an das damalige Büro in der Wohnung von Josef Köhler.
Ab 01.01.1960 sollte aus dem Übersetzerkollektiv ein bezirksgeleiteter volkseigener Betrieb (VEB) für technische und wissenschaftliche Übersetzungen gegründet werden. Zu diesem Zweck wurden Räume in der Dr. – Kurt – Fischer – Str. in Leipzig angemietet und eine erste Büroausstattung wurde gekauft.
Zum Jahresende sollten die Anstellungsverträge für die Mitarbeiter ausgestellt werden.
Josef Köhler arbeitete als freiberuflicher Übersetzer und Dolmetscher, über einzelne Aufträge im Jahre 1959 ist nichts bekannt, aber die Einkommenssteuererklärung für 1959 zeigt, dass er mit dieser Arbeit auch Geld verdiente.
Im Jahre 1959 ging er auch weiterhin seiner Arbeit bei der Nationalen Front der DDR nach.
So weit waren also die Pläne für die 60er Jahre bis zum 24. Dezember 1959 gediehen.
1954 – 1957 III – Nationale Front
Durch den Parteiausschluss aus der SED, mit dem Ziel der Wiederaufnahme in die Partei, arbeitete Josef Köhler zeitweilig hauptamtlich, aber die meiste Zeit ehrenamtlich, für die Nationale Front der DDR.
Zitat Wikipedia:
Die Nationale Front der Deutschen Demokratischen Republik (bis 1973 Nationale Front des demokratischen Deutschland) war ein Zusammenschluss der Parteien und Massenorganisationen in der DDR. Durch die Nationale Front sollten dem Anspruch nach alle gesellschaftlichen Gruppen Einfluss auf gesellschaftspolitische Prozesse nehmen können. Faktisch war die Nationale Front jedoch auch ein Mittel, um die Blockparteien und Massenorganisationen zu disziplinieren und die Vormachtstellung der SED im Staat zu festigen.
Über diese Arbeit schreibt er in einem Schreiben an die Zentrale Parteikontrollkommission (ZPKK) der SED, vom 12.07.1963, folgenden Text.
Nachdem ich in den ersten Januartagen [1954] mit dem Gen. Fritz Beyer eine einzige kurze Aussprache hatte, wurde ich nach Beendigung meiner Aushilfslehrertätigkeit im Auftrage der SED Stadtleitung durch den Gen. Billhardt dem damaligen Leiter des Pavillons der Nationalen Front übergeben, um –wie man mir sagte- eine Möglichkeit zu finden, mich auf dem kulturellen Sektor einzubauen. So habe ich etwa seit April 1954 bis Juli 1954 ganztägig im Pavillon der Nationalen Front unentgeltlich bis zum Schluß der Abendveranstaltungen gearbeitet. Als der Leiter des Pavillon in seinen Urlaub für zwei Monate fuhr, wurde ich durch das Sekretariat des Bezirksausschusses der Nationalen Front als Stellvertreter des Leiters mit einem Monatsgehalt von 250- DM eingesetzt und habe dort bis Ende August als solcher gearbeitet. In dieser Zeit habe ich durch eine zwangsläufige Inventur in der zum Pavillon gehörenden Buchhandlung und in der freien Kasse größere Unstimmigkeiten feststellen müssen, über die ein entsprechendes Protokoll in drei Ausfertigungen dem Bezirksausschuss zugefertigt worden ist.
Nach meinem Arbeitsantritt (1.9.1954) an der Karl Marx Universität, der mir durch entsprechende Stellen in Zusammenwirken mit der Bezirks- und Stadtleitung der SED ermöglicht wurde, wählte man mich in die ehrenamtliche Leitung des Pavillons der NF am Markt, wo ich ebenfalls täglich meiner gesellschaftlichen Arbeit nachkam. Auf Grund meiner Tätigkeit im Pavillon der NF wurde ich Anfang 1955 (bzw. Ende 1954) in den Bezirksausschuß der Nationalen Front kooptiert und im Laufe der folgenden Jahre bis 1959 immer wiedergewählt. Hier arbeitete ich zunächst in der Anleitung der Agitationslokale in allen Stadtbezirken, wurde später mit der Leitung der Arbeitsgruppe „Rückkehrer und Zuwanderer“ betraut und als Ständiger Vertreter des Bezirksausschusses bei der Kommission für Rückkehrer und Zuwanderer beim Rat des Bezirkes, Innere Angelegenheiten, benannt. Auch hier habe ich eine aktive Mitarbeit geleistet, wie von Seiten des Gen. Luft bzw. der Gen. Blasi bestätigt werden muß.