Aber kam aus der Büchse der Pandora noch mehr heraus?
Natürlich geschah dies und die dritte (vorläufige) Version der Geschichte entstand. Allerdings bleibt der Teil nach 1960 noch unverändert, die Untersuchungen sind noch nicht abgeschlossen.
Josef A. Köhler wurde 1923 in einem kleinen Erzgebirgsdorf, in der heutigen tschechischen Republik, geboren. Seine Eltern waren streng katholische Bauern und Handwerker, die ihren Sohn für den Priesterberuf vorgesehen hatten. Deshalb besuchte er auch das bischöfliche Knabenseminar in Mariaschein. Das Gebiet in dem die Familie lebte gehörte bis 1919 zu Österreich/Ungarn und war im Ergebnis des ersten Weltkrieges tschechisches Gebiet geworden. Somit begrüßten seine Eltern 1939 den Einmarsch der deutschen Truppen und die Eingliederung ins Deutsche Reich. Das Seminar wurde geschlossen und Josef musste auf eine öffentliche Schule wechseln. Hier wurde er Mitglied der Hitlerjugend und war nach Aussagen von Zeitzeugen in leitender Stellung in der Region tätig. Der erneute Schulwechsel ist wahrscheinlich durch die Nähe zum Heimatort und durch die Arbeit in der HJ erklärbar.
1941 ging er nach Leipzig, besuchte einen Lehrgang als Wehrmachtsdolmetscher und wurde Mitglied der NSDAP. 1942 meldete er sich freiwillig zur Wehrmacht und absolvierte nach der Grundausbildung einen Kriegsoffiziersbewerberlehrgang. Er kam an die Front bei Stalingrad und geriet Weihnachten 1942 in sowjetische Kriegsgefangenschaft.
Wahrscheinlich wurde er von Mitgliedern des NKFD dazu überredet nochmals zu seiner Einheit zurückzugehen und andere Soldaten zum Überlaufen zu überreden. So tauchte er Anfang 1943 nochmals bei seiner Einheit auf und ging Ende Januar mit mehreren Kameraden in Gefangenschaft.
Bei seiner darauf folgenden Tätigkeit als Grabensprecher bei der Roten Armee wurde er verwundet und kam in mehrere Lazarette. Wahrscheinlich arbeitete er für das NKFD und besuchte mehrere Lehrgänge an Antifa-Schulen, wo er auch die Russische Sprache in Wort und Schrift erlernte. Im Januar 1946 verpflichtete er sich zur Mitarbeit beim NKWD (später MWD und KGB) und wurde ins Kriegsgefangenenlager Wladimir geschickt. Dort war er Mitglied der Lagerleitung und Kulturfunktionär. Am 18. März 1948, als sich die Entlassung aus der Kriegsgefangenschaft abzeichnete, schrieb er einen Brief an Stalin. In diesem Brief bat er um die Staatsbürgerschaft der Sowjetunion und den Verbleib in dieser. Diesem Gesuch wurde nicht stattgegeben. Aus den folgenden Geschehnissen ist anzunehmen, dass die Sowjets ihm glaubhaft versichern konnten, dass in Deutschland keine Beweise seiner NS-Vergangenheit mehr vorhanden waren. Bis auf eine Karteikarte konnte ich ebenfalls nichts finden, es ist zu vermuten, dass sich diese Beweise auch heute noch in sowjetischen Archiven befinden.
Ende 1948 wurde er aus der Kriegsgefangenschaft entlassen und er ging nach Leipzig wo er bei der Deutschen Volkspolizei arbeitete und Mitglied der SED wurde. Er war Dolmetscher für einen sowjetischen Berater, Fahnder bei der Kriminalpolizei und wieder Kulturfunktionär. Weiterhin arbeitete er ehrenamtlich in der Stadtbezirksleitung der SED. Nebenbei (?) erledigte er Aufträge für die Sowjets.
1950 kündigte er, in Absprache mit seinem sowjetischen Führungsoffizier, den Dienst bei der Polizei, legte seine Begabtenprüfung ab und begann ein Studium der Russischen und Chinesischen Sprache an der Karl-Marx-Universität Leipzig. Josef holte seine Eltern, die aus ihrer Heimat vertrieben waren, nach Leipzig und hatte ein eheähnliches Verhältnis.
Mitte 1951 wurde er in Berlin vom MfS verhaftet, dem MWD (später KGB) übergeben und nach halbjähriger Haft in ein Straflager bei Workuta geschickt. Die Anklage lautete auf Dekonspiration, Geheimnisverrat und antisowjetische Tätigkeit. Von Workuta aus wurde er 1953 in das Übergangslager Tapiau geschickt und Ende 1953 entlassen. Der Aufenthalt in Tapiau ist bestätigt, der in Workuta nicht. Es gibt Indizien, dass Josef A. Köhler nie in Workuta war, sondern für das KGB andere Aufgaben erfüllte. Da sein Verbleib nicht bekannt war, wurde Josef 1952 wegen vermuteter Republikflucht aus der SED ausgeschlossen und von der Universität exmatrikuliert.
Josef ging nach der Entlassung wieder nach Leipzig, diesmal als Resident des KGB. Dort lernte er seine spätere Frau kennen, die in Untermiete bei seinen Eltern wohnte. Er machte sich als Dolmetscher und Übersetzer selbständig, in der Hauptsache arbeitete er aber mit einigen anderen Mitarbeitern des KGB bei der Nationalen Front, besonders in der Kommission Rückkehrer und Zuwanderer.
Im Auftrag des KGB gründete er, mit anderen inoffiziellen Mitarbeitern des KGB gemeinsam, einen erfolgreichen Übersetzerbetrieb. Dank der Unterstützung durch das KGB war es diesem Betrieb möglich Großaufträge zu akquirieren, die normalerweise nur an staatliche Betriebe vergeben wurden. 1959 erfolgte eine Absprache zwischen KGB und MfS, die eine Fusion des Leipziger Betriebes mit dem staatlichen Berliner Betrieb zur Folge hatte. Um einen reibungslosen Ablauf zu gewährleisten, wurde Josef am 24. Dezember 1959 vom MfS verhaftet und ohne Verfahren mehrere Monate eingesperrt. Hier endete auch die (offizielle) Zusammenarbeit mit dem KGB. Ob diese wirklich endete ist fraglich, eher sogar unwahrscheinlich. So wurde von Seiten des MfS bis 1972 nicht versucht mit Josef Köhler Kontakt aufzunehmen. Allerdings werden IM des MfS beauftragt ihn zu beobachten und ihm Informationen zu entlocken. Zum Beispiel während des „Prager Frühlings“.
Der weitere Lebensweg ist in den ersten beiden Versionen zu lesen. Was davon ganz anders war, das muss ich noch herausfinden.
Also, die „Büchse der Pandora“ ist offen. Was noch darin zu finden ist bleibt abzuwarten.
Das Blog ruht
Liebe LeserInnen, wie Sie bereits bemerkt haben arbeite ich seit mehreren Jahren nicht weiter an diesem Blog. Das soll nicht bedeuten, dass mein Interesse an dem Thema erloschen ist. Die Arbeitsbelastung ist angewachsen und weitere Informationen lassen auf sich warten oder bleiben ganz aus. Sobald es etwas neues gibt melde ich mich hier wieder. Das Blog bleibt für interessierte Menschen natürlich online. Wer sich für mich interessiert ist herzlich auf mein anderes Blog Reden wir darüber eingeladen.
Thomas Köhler
In eigener Sache
Es geht in diesem Blog weiter, die Unterbrechung war dem Mangel an neuen Informationen geschuldet.
In der Zwischenzeit ist das Blog auch auf eine andere Plattform umgzogen. Leider sind dabei die Mediendateien beschädigt worden.
Zur Zeit sind die Bilder nicht verfügbar, aber ich arbeite daran.
Vielen Dank für Ihr Verständnis.
Weggefährten – Ernst Hassenrück
Die Veröffentlichungen über Weggefährten von Josef A. Köhler soll dazu dienen, eventuell weitere Informationen über die betreffenden Personen zu finden.
Ernst Adolf Hassenrück wurde am 01. Januar 1930 in Lodz/Polen geboren. Sein Vater war protestantischer Pfarrer, seine Mutter Hausfrau. Er besuchte in Lodz die Schule bis 1945. Nach Kriegsende wurde die Familie in die DDR umgesiedelt und er legte, wahrscheinlich in Falkenau, das Abitur ab. Zuerst arbeitete Ernst Hassenrück bei der Wismut AG in Marienberg/Sachsen als Untertagearbeiter, später nach Ablegung eines Lehrgangs als Markscheider.
1950 qualifizierte er sich als Neulehrer und wurde Grundschullehrer an der Grundschule Flöha/Sachsen. Aus gesundheitlichen Gründen musste er diese Tätigkeit jedoch aufgeben. Vom Mai bis September 1953 arbeitete Ernst Hassenrück als Sachbearbeiter für Volksbildung beim für seine Heimatstadt zuständigen Rat des Kreises und bewarb sich um ein Studium an der Karl-Marx-Universität Leipzig.
Von 1953 bis 1957 studierte er an der Karl-Marx-Universität Leipzig, an der philosophischen Fakultät, das Fach Slawistik. Ernst Hassenrück wird in verschiedenen Quellen als Student mit sehr guten Leistungen bezeichnet. 1957 schloss er dieses Studium mit dem Staatsexamen ab und arbeitete in der Folgezeit als Assistent an der slavistischen Fakultät. Im Rahmen der Zerschlagung einer „staatsfeindlichen“ Gruppe um Dr. Schröder[1] an der Karl-Marx-Universität wurde gegen ihn 1957 ermittelt, er wurde mehrmals vom Ministerium für Staatssicherheit der DDR verhört und wurde an der Universität andersweitig eingesetzt. Gleichzeitig wurde er aus der SED ausgeschlossen.
Im Februar 1958 verließ Ernst Hassenrück die Karl-Marx-Universität endgültig und machte sich als Übersetzer und Dolmetscher selbständig. Anfang 1959 wurde er Mitglied des Übersetzerkollektivs.
IM Landau* behauptet, dass die Bekanntschaft von Ernst Hassenrück und Josef A. Köhler vom März oder April 1959 datiert. Vermittelt wurde diese durch eine Kollegin Hassenrücks von der Karl-Marx-Universität. Weiterhin behauptet Landau, dass Ernst Hassenrück etwa August 1959 zeitweise als amtierender Geschäftsführer des Übersetzerkollektivs und anschließend als Leiter der Gruppe slavische Sprachen eingesetzt wurde. Nach Gründung des Büros für technisch-wissenschaftliche Übersetzungen (TEWI) wäre er Übersetzer-Redakteur und ebenfalls Leiter der Gruppe slawische Sprachen geworden und hätte von Josef A. Köhler von Fall zu Fall Aufgaben zugewiesen bekommen, die die Gesamtarbeit des Büros speziell im Bereich Organisation betrafen.
Diese Stellung im Übersetzerkollektiv wird von keiner weiteren Quelle bestätigt, so schreibt IM Kirchner* nur von Köhler, Schneider und Rudel. Aber die Behauptung ist dennoch glaubhaft
AP* schreibt über Ernst Hassenrück wie folgt:
Ernst Hassenrück kam mit Diplom vom slawischen Institut der Karl-Marx-Universität und hatte sich als Übersetzer für russisch und polnisch beworben. Inwieweit er eingesetzt wurde, weiß ich nicht.
Nach der Auflösung des Übersetzerkollektivs arbeitete Ernst Hassenrück weiter als freiberuflicher Übersetzer und Dolmetscher für Russisch, Polnisch und in geringerem Maße auch Tschechisch. Der größte Teil dieser Arbeit waren Übersetzer- und Dolmetscherleistungen für verschiedene Kombinate und VEB im Rahmen des RGW. Wie auch Josef A. Köhler war er auch von Anfang an Mitglied der Vereinigung der Sprachmittler (VdS) der DDR.
Ernst Hassenrück war zwei Mal verheiratet und hatte aus erster Ehe eine Tochter.
In den 70er Jahren nahm Ernst Hassenrück eine Anstellung in einem VEB an und verließ Leipzig. Mir ist nur bekannt, dass er in den Bezirk Dresden zog.
Ernst Hassenrück starb 1980.
[1] In einigen Unterlagen des MfS wird die Gruppe als Schröder/Zwerenz/Loest-Gruppe bezeichnet.
* Die Klarnamen der IM Kirchner und Landau, sowie der vollständige Name von A.P. sind dem Autor bekannt, werden aber wegen des Schutzes der Persönlichkeitsrechte nicht veröffentlicht.
Quellen:
BStU, MfS, BV Leipzig, AIM 364/87, Bd. I
BStU, MfS, BV Dresden, AIM 578/84, Bd. I
BStU, MfS, BV Leipzig, AIM 035/84, Bd. II
A.P. an Köhler, Thomas 04.11.2010 Übersetzerkollektiv eMail