1956 – 1959

Familiäre Veränderungen
Am 30. Juni 1956 wurde Anton Köhler von seinem Arbeitgeber Carl Walther, wegen Werkstattauflösung, gekündigt. Anton Köhler beantragte und erhielt einen Gewerbeschein und führte die Werkstatt, jetzt als Möbeltischlerei Anton Köhler, im Alter von 71 Jahren weiter.
Renate Köhler wurde wieder schwanger und im Mai 1957 wurde ich geboren.
Arbeit
Josef Köhler arbeitete seit der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses mit der Karl-Marx-Universität Leipzig als freiberuflicher Übersetzer.
Unter Anderem arbeitete er für das Deutsche Institut für Rechtswissenschaften in Potsdam – Babelsberg und für das oberste Gericht der DDR.
Vorliegende Übersetzungen sind:
– Fragen des Wirtschaftsvertrages von S.N. Bratus und L.A. Lunz, VEB Deutscher Zentralverlag Berlin 1956
– Wesen und Bedeutung des Vertrages im sowjetischen sozialistischen Zivilrecht von R.O. Chalfina, VEB Deutscher Zentralverlag Berlin 1958
Seit 1955 lehrte er an der Volkshochschule (VHS) Leipzig, im Rahmen der Erwachsenenbildung, die russische Sprache. In den Anfangsjahren war er dort auch maßgeblich an der Erarbeitung der Unterrichtsmaterialien beteiligt.
In diesen Jahren schlossen sich auch mehrere Übersetzer in Leipzig, z.B. Ernst Hassenrück, Jonny Schneider, Josef Köhler und Andere zu einem Übersetzerkollektiv zusammen.

1954 / I

Familiäre Veränderungen

Als Josef Köhler wieder nach Hause kam, hatte sich die Lage seiner Eltern verändert. Obwohl schon 68 Jahre alt, hatte sich sein Vater, Anton Köhler, als Tischlergeselle in der Bau- und Möbeltischlerei Carl Walther, Wiesenstrasse 24, Leipzig C1, am 02. März 1953 einstellen lassen. Die Mutter, Philomena Köhler, führte den Haushalt und schneiderte nebenbei für Bekannte. Um das karge Einkommen aufzubessern wurde auch eine Fachschulstudentin als Untermieter aufgenommen.

Zwischen dieser Untermieterin, Renate Pratsch, und ihm kam es in relativ kurzer Zeit zu einer Annäherung, die allerdings seiner Mutter nicht gerade recht kam, da ihr Sohn, wenn er schon nicht Priester würde, zumindest ein ehrbares katholisches Mädchen heiraten sollte. Renate war aber protestantisch.

Arbeitssuche

Eine Arbeit zu finden fiel auch nicht leicht. Josef wollte ja weiter studieren und bewarb sich am 26.04.1954 also um die erneute Immatrikulation an der Universität Leipzig (zu diesem Zeitpunkt bereits Karl-Marx-Universität). Zusätzlich bat er um die Möglichkeit, während des Studiums, als Lektor für die russische Sprache an einem der Institute arbeiten zu können.

Vom 20.01.1954 bis zum 28.02.1954 arbeitete er als Aushilfslehrer für Russisch an der Karl-Marx-Oberschule in Leipzig. Da er nicht sofort eine andere Anstellung bekam, arbeitete er ab dem 05.Mai 1954 ehrenamtlich im Pavillon der Nationalen Front, wo er auch vom 14.06. bis 31.08.1954 als Aushilfe eingestellt wurde.

Versuch der Wiederimmatrikulation

Am 19. Juni 1954 schrieb an der Karl-Marx-Universität ein Referent namens Jänsch (Zeichen Jä./Ke.), ein internes Schreiben an das Rektorat der Karl-Marx-Universität Abt. Sprachunterricht, zu Händen des Koll. Dalitz, mit folgendem Inhalt:

Betr.: Josef Köhler,
Obengenannter will sich als wissenschaftlicher Dozent bewerben. Wir bitten von einer Einstellung unbedingt abzusehen.

Präziser wird am gleichen Tage Dozent Jansch, Prorektor für Studentenangelegenheiten [?] (Zeichen Jä./Ke.) im Schreiben an das Staatssekretariat für Hochschulwesen, Abt. Studenten- angelegenheiten, zu Hdn. Koll. Mamat:

Betr.: Herr Josef Köhler
Obengenannter wird sich beim Staatssekretariat für Hochschulwesen um Wiederimmatrikulation für die Fachrichtung Slavistik bewerben. Auf Grund einer Mitteilung des Oberassistenten des Slavischen Institutes, Herrn Schulze erhalte ich Kenntnis, dass Köhler noch heute in enger Verbindung zu Prof. Dr. Ohlisch [sic!] (Universität Köln) steht. Da K. gut über das Slavische Institut informiert ist und bei einer Wiederimmatrikulation der Verdacht besteht, dass der Forschungsauftrag von Herrn Prof. Dr. Fischer, Prof. Ohlisch [sic!] in Westdeutschland bekannt wird, sehe ich mich veranlasst, darauf aufmerksam zumachen und von einer Wiederimmatrikulation abzusehen.

Der genannte Professor in Köln, ist Prof. Dr. R. Olesch, bei dem Josef  am 3.7.1950 seine Arbeit zur Begabtenprüfung einreichte, der damalige Leiter des Institutes für Slavistik. Kontakte für den Zeitraum 1954 konnten in keiner Weise bestätigt werden.

Verschollen

Ein kleiner Rückblick, nach Inkrafttreten der Benes-Dekrete wurden Anton und Philomena Köhler, wie tausende andere Deutsche auf dem Gebiet der Tschechoslowakei, enteignet und nach Deutschland deportiert. Sie kamen zuerst in Völkershausen unter, dort wurde auch der Kontakt mit ihrem Sohn, über das rote Kreuz, hergestellt.
Als Josef Köhler aus der Kriegsgefangenschaft kam, ging er nach Leipzig und holte einige Zeit später auch seine Eltern dort hin.
Am 4. Juni 1953 fuhr Josef nach Berlin und kam nicht wieder. Seine Eltern vermuteten richtig, dass er verhaftet worden war und bemühten sich um Informationen über seinen Verbleib. Als Alles Andere keine Ergebnisse brachte, schrieb Anton an den Präsidenten der DDR, Wilhelm Pieck. Der Brief ist nicht erhalten, aber die Antwort vom 26. März 1952 in der die Präsidialkanzlei mitteilt, dass der Vorgang an den Minister für Staatssicherheit, Willy Zaisser, weitergeleitet wurde, liegt mir vor.
Am 20.11.1952 schrieb Anton an den Minister für Staatssicherheit, er erhielt keine Antwort.
Auf ein weiteres Schreiben von Philomena an den Präsidenten, kam abermals die Antwort, dass das Ministerium für Staatssicherheit mit der Überprüfung beauftragt wurde.
Am 16.9.53 schrieb Philomena an Otto Nuschke, den stellvertretenden Ministerpräsidenten der DDR.

Unser Sohn, Joseph Köhler, geb. 18.3.1923, ist am 4.6.51 nach Berlin gereist und von dieser Reise nicht wieder zurückgekehrt.

Wir richten nunmehr an Sie, Herr Ministerpräsident, die Bitte, uns eine Nachricht zukommen zu lassen oder zu vermitteln, ob sich unser Sohn in Haft befindet, und wie es ihm ergeht. Es sind ja inzwischen die neuen Bestimmungen unserer Regierung erlassen, nach denen die Angehörigen eines jeden Inhaftierten einen diesbezgl. Bescheid erhalten sollen. In der nun schon so lange ertragenen Sorge und Ungewissheit, die uns immer stärker zermürbt, bitten wir dringend um eine solche Aufklärung.

Sie sollten auf diesen Brief nie eine Antwort und vom Ministerium für Staatssicherheit nie eine Information bekommen.
Josef blieb verschollen.